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Noch hängt das Etikett frech an mir - wie auch an dir...

in: EMMA
2004 , Heft: 3 , 36-43 S.

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Einrichtung: FrauenMediaTurm | Köln
Signatur: Z-Ü107:2004-3-a
Formatangabe: Interview
Link: Volltext
Verfasst von: Schwarzer, Alice info ; Engelke, Anke
In: EMMA
Jahr: 2004
Heft: 3
Beschreibung: Ill.
ISSN: 0721-9741
Sprache: Nicht einzuordnen
Beschreibung:
Noch hängt das Etikett frech an mir - wie auch an dir …

Ach? Ich hatte den Eindruck, er verfolgt dein Leben seit Jahrzehnten aus größter Nähe. Woher sonst könnte er wissen, dass du "die Gesetze der Männer in Anspruch nimmst" und dir "junge schöne Geliebte" greifst, die du "nach einiger Zeit wieder wegwirfst"? - Hört sich, ehrlich gesagt, nach einem abgewiesenen Verehrer an ... Der muss mich verwechseln. Ich habe diesen Lebert noch nie gesehen. Und ich habe auch noch nie jemanden weggeworfen. Vor ein paar Monaten wurde mir doch in der Presse noch das Gegenteil vorgeworfen: Dass ich mich von den beiden Jungs hätte wegschmeißen lassen...

Du sprichst von Stuckrad-Barre und von Ruf...

So ist es.

Aber der Brigitte-Autor Stephan Lebert spricht von Legionen ... Das finde ich grundsätzlich als Image nicht schlecht. Da danke ich dem werten Herrn sehr!

Nach deiner Trennung von Andreas hast du ja in der Tat ein paar mal hart daneben gehauen, zum Beispiel mit Ruf.
Stimmt. Verlorene Zeit. Ich glaube heute, das war so eine Art Selbstbestrafung - dafür, dass ich Andreas verlassen hatte. Das Scheitern einer Ehe muss man ja auch erst mal verarbeiten. Und das mit dem Benjamin war ja auch eher kompliziert. Aber jetzt habe ich endlich den Richtigen gefunden: Claus. Wir machen seit über zehn Jahren Musik miteinander, aber verliebt haben wir uns erst vor ein paar Monaten. Das ist nicht so ein Schwätzer, der ist ganz handfest und bodenständig. Und er ist ein toller Musiker. Er hat auch selbst ein Kind und versteht mich und Emma.

Und was erwartest du sonst noch so von einer guten Beziehung? Für mich ist es ganz wichtig, einen Hafen zu haben. Zu wissen, da ist jemand, dem ich nichts erklären muss. Und der auch meine musischen Seiten mit mir teilt.

Ich habe den Eindruck, im Beruf bist du sehr diszipliniert und selbstironisch - und in der Liebe eher chaotisch und sehnsüchtig.

Da ist was dran. Mein Beruf und mein privates Leben sind das komplette Gegenteil. Im Beruf habe ich große Freude am Ausflippen, weiß aber genau, was ich tue. Im Leben bin ich weniger bestimmt und brauche klar strukturierte Verhältnisse: Hier gehöre ich hin. Da ist ein Haus, in dem ist jemand drin. Und wenn es geht, möchte ich das auch schriftlich haben.

In mehreren Artikeln über dich tauchte in der letzten Zeit immer wieder die Frage nach dem "Kern" deiner Persönlichkeit auf. Du könntest zwar in tausend Rollen schlüpfen, aber selbst seiest du innerlich hohl. Wie würdest du dich selber charakterisieren?

Puh ... Also ich bin eigentlich sehr zurückgezogen in mir selbst. Ich bin ruhig, vorsichtig, bedacht ... Und ich fühle in mir diese Mischung aus Vorsicht und Humor, für die ich lange gebraucht habe, die mir aber jetzt sehr gefällt.

Kommen wir zur Working Woman. Hast du eigentlich Vorbilder?

Bei Ellen DeGeneres gefällt mir die Bandbreite. Die hat eine Show, macht eine Serie, steht auf der Bühne mit ihrer One-Woman-Show. Ich bin nicht wie sie, bei mir arbeiten viele Menschen zu. Aber ich hätte gerne die Gelassenheit, einfach mal alles auszuprobieren. Und den Freiraum.

Was wirst du in Ankes Late-Night-Show ausprobieren? Es wird eine klassische Late-Night-Show mit allen bekannten Elementen.

Und was wird das Neue sein? Dass ich eine Frau bin! Dass ich anders frage. Ich habe keine Lust auf so eine Schleimspur. Ich habe Lust auf ganz viel Leben und Lachen. Und ich mache viele Einspieler, alle Themen, die mir so Tag für Tag in der Zeitung entgegen springen. Klar, dass ich vorzugsweise Frauen parodieren werde. Ich bin ja selbst eine. Vor allem aber wünsche ich mir, dass man mich einfach mal machen lässt.

Neu in der Show ist, dass ich eine Frau bin! Dass ich anders frage. Dass ich keine Lust habe auf so eine Schleimspur.

Und wie lange willst du das so machen? Wann soll ich aufhören?

Gar nicht! Komisch kann man bis 100 sein. Wo? Auf dem Mond? Im deutschen Fernsehen auf jeden Fall nicht. Da sehen ja sogar die Journalistinnen aus wie die Models.

Stört dich das?

Ja! Ich möchte diese ganze glatte Fassade runterreißen. Ich möchte zeigen, was dahinter steckt.

Und was steckt dahinter? Betrug. Ich werde ja immer wieder mal gefragt, ob ich nicht in einer dieser Jurys der Superstars mitmache. Nein danke! Ich habe keinen Bock, da einmal die Woche neben irgendwelchen operierten Tanten zu sitzen. Ich will mein Glück nicht auf Jungsein, Schlanksein, Schönsein aufbauen. Ich will mehr. Aber du machst ja auch scharfe Auftritte.

Okay. Aber dann sollen die Mädchen und Frauen auch wissen, wie die zustande kommen. Dass ich vor dem Auftritt drei Stunden in der Maske sitze. Und dann noch stundenlang ausgeleuchtet werde.

Ich möchte im Fernsehen diese ganze glatte Fassade runterreißen. Ich möchte zeigen, was dahinter steckt: Betrug!

Und diese Kunstfotos werden dann auch noch retuschiert.

Alles wird total retuschiert. Ich zum Beispiel bin behaart auf den Armen und habe eine dicke Querfalte auf der Stirn - von all dem ist dann nix mehr zu sehen. Das Bild, das ich dann in der Öffentlichkeit gebe, ist nur eine Rolle. Eine Rolle, die andere Frauen im realen Leben einschüchtert.

Darum muss ich darüber reden. Die Mädchen und Frauen sollen wissen, dass diese Glamour-Frauen, die sie sehen, alle Ersatzteillager sind. Ich will niemandem zu nahe treten, aber zum Beispiel Jeanette Biedermann, die ist noch keine 20, wirkt aber wie eine geliftete 40-Jährige. Aber die kleinen Mädchen, die ihre Platten kaufen, wollen wie Jeanette Biedermann aussehen…

... dabei sieht Jeanette Biedermann selber nicht aus wie Jeanette Biedermann. Genau, eher wie eine Barbiepuppe. Total unecht. Ich will so was nicht. Ich will kein Model, ich will ein Role Model sein.

Was verstehst du darunter? Ich finde es super, wenn kleine pickelige Mädchen mich toll finden und verstehen: Man kann hübsch aussehen, muss aber nicht. Viel wichtiger ist für die, dass ich lustig bin und mich traue, auch hässlich zu sein. Sie finden natürlich auch toll, dass du eine begehrte Frau bist.

Tja, viel Zeit habe ich ja nicht mehr. Lange kann ich nicht mehr behaupten, jung zu sein. Und ich muss aufpassen, dass ich mich nicht anbiedere. Dass ich den 14-Jährigen nicht vorgaukele: Ich bin eine von euch, ich weiß, wie ihr lebt. Irgendwann weiß ich es nämlich nicht mehr. Aber ich kann ihnen immer sagen: Es ist okay, dass ihr es klasse findet, ein Popstar zu sein. Nur, das ist eine Ausnahmesituation, die nichts mit eurem Leben zu tun hat. Ihr müsst überlegen, warum ihr es toll findet, vor anderen aufzutreten, von Fremden erkannt zu werden - und diese Erkenntnisse dann in euren Alltag mit rein nehmen. Denn letztendlich geht es einzig und allein darum, das Selbstbewusstsein zu stärken.

Unter diesem Aspekt werden die Fotos, die dein Sender jetzt zur Promotion raus gibt, eher einschüchternd sein. Denn du siehst darauf eher aus wie ein Model als ein Rolemodel.
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