Archivgut Sammlung

Martha H. NL 252

Jänner bis November 1916, 1922 bis 1925

Weitere Informationen

Einrichtung: Sammlung Frauennachlässe | Wien
Jahr: Jänner bis November 1916, 1922 bis 1925
Sprache: Deutsch
Beschreibung:
<p><b>Orte: </b>Wien; Berlin, Leipzig und andere Orte in Deutschland u.a.</p>
<p><b>Quellentypen: </b>Tagebuch (Frauentagebuch, während dem 1. Weltkrieg geführtes Tagebuch): 2 Bände</p>
<p><b>Zum Bestand: </b>Schreiberin: Martha H.; geb. 1895 in Wien, gest. 1975 in Wien

Übergeber: Nicolas D. (Bevollmächtigter), 2016



Martha H. ist in Wien aufgewachsen. Sie studierte hier, in Heidelberg sowie in Berlin Literatur und Deutsch im Lehramt, ihre Promotion war 1920. Ab 1922 arbeitete Martha H. in Wien als Gymnasiallehrerin. Sie war in der Organisation zionistischer Frauen Österreichs aktiv, u.a. bekleidete sie hier die Funktion der Kulturreferentin und Vizepräsidentin. Als Journalistin war Martha H. u.a. für die Jüdische Rundschau, die Neue Freie Presse und die Wiener Morgenzeitung tätig, zudem arbeitete sie als Schriftstellerin. Eines ihrer Pseudonyme war Melitta Holl.

1938 wurde Martha H. aus dem Schuldienst entlassen. Sie ging erst nach Großbritannien, anschließend nach Palästina. 1948 kehrte sie aus der Emigration nach Wien zurück, von 1949 bis 1957 war sie hier wieder als Gymnasiallehrerin angestellt. Sie arbeitete als Essayistin und Übersetzerin.

Aus dem schriftlichen Nachlass von Martha H. sind in der Sammlung Frauennachlässe zwei Tagebuchbände archiviert. Die Aufzeichnungen wurden von Jänner bis November 1916 sowie zwischen November 1922 und März 1925 verfasst, beide Bände sind voll beschrieben. Gefunden wurden sie im Nachlass des Autors, Rundfunkjournalisten und Sammlers Paul W..

Das frühere Tagebuch trägt die Aufschrift "Marta H.. 1916". Die junge Frau berichtete darin auf 232 Seiten von ihrer Studienzeit in Berlin, hielt philosophische sowie theoretische Gedanken fest ("Ob das Judenleid nicht doch mehr als die Zionisten zugeben, auf Äußerlichkeiten beruht?", 18. Juli 1916) und kommentierte den Ersten Weltkrieg ("Wie viel leben noch, die damals sangen? Wie viel gaben Gut u. Blut dem Kaiser? Und wußten kaum etwas vom Vaterland!", 18. August 1916). Häufig finden sich Unterstreichungen, vereinzelt Nachträge, regelmäßig sind kurze Passagen in Stenographie verfasst, eine in einer Geheimschrift. Neben persönlichen Einträgen enthält das Buch auch Zitate, Gedichte, einen Stundenplan und eine Zeichnung.

Das zweite Tagebuch wurden in ein Adressbuch eingeschrieben. Die Einträge mit 164 (erhaltenen) Seiten beginnen mit der Niederschrift von "Verlorenes Spiel. Ein Drama." Es wurden Seiten herausgeschnitten, die eigentlichen diaristischen Einträge beginnen im November 1922: „Es ist sehr lange her, seit ich zuletzt über mich, meinen inneren u. äußeren Zustand Buch geführt habe: aus Zerrissenheit, Leiden, Nicht=Fixieren=Wollen, des Lebendigen (wie ich's seit meiner Beziehung zu Zui empfand, der sagte, ich schriebe 'Historie', dh. Ich registriere die Gefühle u. Erlebnisse – als verflossene, tote. Aber auch aus ‚moralischer Schlamperei‘". Die Beziehung zu dem hier "Zui" genannten Mann aus Bulgarien ist eines jener Themen, die in dem Buch bis zum letzten Eintrag kontinuierlich behandelt wird. Neben Berichten über Bekanntschaften mit weiteren Männern finden sich dabei auch ausführliche Gedanken zum Zionismus: "'Was kümmert dich Palästina?' frag ich in wehen u. ängstlichen Stunden mich selbst- u. denk: ich kann ohne dies Centrum meiner Seele so wenig existieren wie ohne den Gedanken, ohne die Liebe zu Zui!" (13. Juni 1923).

Politische und aktuelle Themen, die die junge Lehrerin festhielt, sind etwa der Putschversuch der NSDAP ("Hitlerputsch") oder die Wahlen in Wien und Österreich 1923: "Wien ist vom Wahlfieber geschüttelt und auch ich habe daran intensivst inneren Anteil. Soll ich jüdisch wählen?". Martha H. berichtete weiters über ihren Schuldienst im Gymnasium, ihre schriftstellerische und journalistische Arbeit, und sie beschäftigte sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen sie eine Ehe eingehen sollte. Neben allgemeineren Schilderungen über das Leben in Wien sowie den Tod ihres Vaters enthalten die Aufzeichnungen auch immer wieder Passagen aus einem Theaterstück mit dem Titel "Renate".</p>
Anmerkung:
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Universitätsring 1
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Öffnungszeiten
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Die erste Sichtung der Quellen erfolgt in den Räumlichkeiten der Sammlung Frauennachlässe. Für die spätere Bearbeitung ist eine Aufstellung der Materialien in der Fachbibliothek für Geschichte möglich.

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