Archivgut Nachlass

Marie M. NL 120

1802 bis 2009

Weitere Informationen

Einrichtung: Sammlung Frauennachlässe | Wien
Jahr: 1802 bis 2009
Sprache: Deutsch
Beschreibung:
<p><b>Orte: </b>Wien; Ooestende in Belgien; Berlin, Charlottenburg, Dresden, Gollau, Klein Pöppeln und Seebad Heringsdorf auf Usedom in Deutschland; Straßburg (Strasbourg) in Frankreich; Gumbinnen (Gussew), Königsberg (Kaliningrad), Darkehmen (Osjorsk), Labiau (Polessk) und Insterburg (Tschernjachowsk) in Russland (ehemals tw. in Preußen gelegen); Fort Kanitz (wahrscheinlich: Dolní Kounice, Kanitz) und Teplitz-Schönau (Teplice) in Tschechien (Böhmen) u.a.</p>
<p><b>Quellentypen: </b>Tagebuch (Reisetagebuch, Kindertagebuch): 1 Band; Aufzeichnungen in Buchform: 2 Poesiealben; Korrespondenz (Paarkorrespondenz, Familienkorrespondenz, Feldpost aus dem 1. Weltkrieg): 1.134 Schreiben (in Abschrift); 13 amtliche Dokumente; Dokumente zur Berufslaufbahn: 2 Dienstzeugnisse; Dokumentationen von frauenbewegtem bzw. feministischem Engagement; autobiografische Aufzeichnungen: Lebenserinnerungen von Jakob Julius H. (6 Bände als Scans und Abschriften, 445 Seiten), "Kriegserinnerungen" von Harry M. (142 Seiten), 6 autobiografische Texte, Familienchronik (insgesamt ca. 20 Seiten); 74 Fotografien; Gedrucktes und Weiteres: "Hochzeits-Courier", Einladungen und Programme, Veröffentlichungen des Charlottenburger Hausfrauenvereins e.V., Broschüren zur Farbrik der Familie H., wirtschaftswissenschaftliche Publikationen u.a.</p>
<p><b>Zum Bestand: </b>Schreiberin/Adressatin: Marie M. (Mary M., geb. H.); geb. 1886 in Teplitz-Schönau (Teplice) in Tschechien, gest. 1979 in Tenavly in den USA

Schreiber/Adressat: Dr. Harry M.; 1876-1931, geb. und gest. in Berlin in Deutschland

Schreiberin/Adressatin: Helene H. (geb. F.); geb. 1862, gest. 1929, Orte unbekannt

Übergeberin: Barbara R. (Enkelin von Marie M.), 2009-2010, 2019



Marie (genannt Mimi) M. wuchs in Teplitz-Schönau (Teplice) in Nordböhmen auf. Ihre Eltern Helene H. (geb. F., 1862-1929) und Julius H. (1848-1933) besaßen eine Fabrik für "Metall- Knopf- und Galanteriewaren".

Die Geschichte des Familienbetriebes ist in einer 1923 gedruckten Publikation belegt, ihre Erzeugnisse in einzelnen gedruckten Broschüren. Von Julius H. sind zudem verschiedene Ausgaben von Publikationen erhalten, die er 1906 zum Thema der "Arbeiter-Versicherung" und 1916 zu den wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn herausgegeben hat.

Die vielfältigen Dokumente aus den Familiennachlässen H. und F. umfassen den Zeitraum von 1802 bis 1883. Zwei Poesiealben enthalten zahlreiche geschriebene und gezeichnete Einträge von 1802 bis 1852 sowie von 1834 bis 1880. "Der Sturz bey Kulm" ist ein einseitiger Bericht über einen Unfall mit einem Pferdewagen von 1830. Der 4-seitige "Prag-Teplitzer Hochzeits-Courier" wurde als "Zeitung" anlässlich der Heirat von Helene und Julius H. 1883 gestaltet. Die vorhandenen 45 Fotografien sind großteils Porträtaufnahmen von 1854 bis 1976.

Von Jakob Ludwig H. (1842-1921), dem Bruder von Julius H., sind zudem Lebenserinnerungen in sechs Bänden erhalten, die er ab 1915 handschriftlich verfasst hat (Nachtrag 2019). Jakob Ludwig H. beschreibt darin u.a. ausführlich das familiäre und soziale Umfeld der Kaufmannsfamilie H. sowie seinen eigenen Werdegang als Kaufmann und Handlungsreisender.

Die Kindheit von Marie M. bzw. ihrer zwei älteren Brüdern Hans und Paul H. sowie der jüngeren Schwester Ilse A. (geb. H.) ist kaum anhand von Selbstzeugnissen dokumentiert. Erhalten ist ein kleinformatiges (undatiertes) Büchlein aus den 1890er Jahren, in dem die zwei Schwestern unter dem Titel "Unsere Badereise" ihre Ferien im mondänen Urlaubsort Ostende in Belgien detaillierten als vierzeilige Reime geschildert haben. Ihr Bildungsweg ist nicht anhand von Quellen belegt.

Als Jugendliche sollen die Schwestern Marie M. und Ilse A. gemeinsam Privatunterricht u.a. in Physik, Mathematik, Gesang und Sprachen erhalten haben. Daneben wurde Marie M. von einer aus Böhmen gebürtigen Köchin in Haushaltsführung unterrichtet. Ab 1909 hielt sie sich in Berlin auf. Sie war Gesangsschülerin bei Lula Mysz-Gmeiner und besuchte Kurse in Physik an der Technischen Hochschule.

Marie M.s Schwester Ilse A. wurde als Geigerin Orchestermusikerin. Sie war sehr sportbegeistert, von ihren politischen Aktivitäten ist etwa die Teilnahme an Treffen des "National Council of Women" im Familiengedächtnis.

1910 lernte Marie M. den Berliner Dr. Harry M. kennen. Er war "Nervenarzt" an den "Anstalten" Dalldorf und Herzberge in Berlin. Das Paar heiratete im März 1911. Ihre beiden Töchter Margarethe (Gretl) und Edith wurden 1911 und 1912 geboren, ihr Sohn Albert M. 1920.

Im Ersten Weltkrieg war Harry M. als Stabs- und Chefarzt in Lazaretten an der Ost- und Westfront eingesetzt. Marie M. und ihre beiden kleinen Töchter verbrachten die Kriegszeit teilweise bei ihren Eltern in Teplitz-Schönau.

In den 1920er-Jahren lebte die Familie M. in Berlin, wo Marie M. sich im Charlottenburger Hausfrauenverein e.V. engagierte. Die aus den 1920er- und 1930er-Jahren erhaltenen Dokumente belegen Marie M.s Engagement im Hausfrauenverein. Neben ihrer Mitgliedsbescheinigung aus 1925 sind das verschiedene Einladungen, Werbeblätter und Zeitungsartikel zu Kochkursen und Vorträgen, entsprechend denen sie ein "Programm aus ungef. 130 Kochvorschriften" entwickelt hat, "das, richtig durchgeführt, in der Rekordzeit von 20 Vormittagen eine lückenlose Ausbildung in allen Zweigen der Koch- u. Backkunst ermöglicht" haben soll.

Den größten Teil des Nachlasses von Marie M. stellen ihre Korrespondenzen dar. Diese liegen alle in Abschriften und Zusammenstellungen ihrer Enkelin Barbara R. im Umfang von 631 Seiten vor. Einige der Briefe von Marie M.s Mutter Helene H. (97 Schreiben bzw. 64 Seiten von März 1911 bis August 1916) sind an "Meine lieben Kinder!" adressiert, die meisten an "Liebste Mimi!". Sie enthalten vorwiegend Alltags- und Familienereignisse, aber auch Ratschläge an die Tochter.

Die Paarkorrespondenz von Marie M. und ihrem Ehemann Harry M. liegt im Umfang von 1.036 Schreiben (576 Seiten) vor. Sie nahmen kurz nach dem Kennenlernen im Mai 1910 ihren Briefverkehr auf, wobei sie erst an "Geehrter Herr Doktor!" und "Sehr verehrtes, gnädiges Fräulein!" schrieben, nach der Verlobung im Oktober 1910 dann an "Lieber Harry!" und "Meine liebe Mimi!". Um die Hochzeit im März 1911 herum steigerte Marie M. ihre Anrede zu "Mein liebster Harry!". Bis zur Heirat sind auch Schreiben weiterer Personen der Familien beider Verlobter in Teplitz-Schönau und Berlin in den Schriftverkehr eingefügt. Die Briefe des Paares wurden ihrerseits im Jänner und Februar 1911 häufiger und durchschnittlich auch länger. Insgesamt beinhaltet dieses Teilkonvolut 271 Schreiben (153 Seiten).

Die Zusammenstellung der Feldpostkorrespondenzen des Ehepaares beinhaltet 390 Schreiben (205 Seiten) von Briefen und Postkarten von Marie M. (Juli 1914 bis Oktober 1919), die zumeist keine Angabe zum Schreibort beinhalten. Die 376 erhaltenen Schreiben (209 Seiten) von Harry M. aus demselben Zeitraum setzen sich aus Briefen, Briefkarten, Postkarten und Feldpostkarten zusammen. Seine Aufenthalte als Stabsarzt an verschiedenen Orten in Ostpreußen sind bis Mitte 1916 durch die Ortsangaben in den Briefen belegt (später war er entsprechend seiner "Kriegserinnerungen" in Galizien und an der Westfront stationiert). In seinen Schreiben berichtet Harry M. von seinem Alltag, stellt Fragen nach der Gesundheit der Familie, macht Angaben zu medizinische Forschungsarbeiten, die Marie M. offenbar abtippte, und äußerte die Hoffnung auf den baldigen Erhalt weiterer Briefe seiner Frau.

Die "Kriegserinnerungen" von Harry M. von 1914 bis 1918 wurden nach seinem Manuskript (142 Seiten) von Barbara R. und ihrem Ehemann Herbert Kaufman 2010 und 2012 als "Book on demand" auf Englisch und Deutsch (182 Seiten) herausgegeben. Die 8 Kapitel sind nach den Orten seiner Stationierung in Ostpreußen, Galizien und Frankreich benannt, das Buch enthält zudem 46 Abbildungen, darunter 28 Fotografien von Harry M. in Uniform, von Quartieren, von Soldaten und von Krankenschwestern, weiters Abbildungen von Postkarten sowie Ausschnitte aus dem Manuskript. 2013 veröffentlichten Barbara R. und Herbert Kaufman auch eine Edition der Briefe des Ehepaares M. aus dem Ersten Weltkrieg.

Harry M. starb 1931. Marie M. flüchtete 1939 vor dem Holocaust aus Deutschland. Ihre Flucht in die USA führte über die UdSSR, in China war sie eine Zeit lang als Gouvernante beschäftigt. 1941 kam sie in New York an, wo ihre Tochter Margarete R. (geb. M.) seit 1936 lebte und in der Emigration eine Ausbildung zur "Nurse" absolviert hat. Edith M. war über Großbritannien in die USA gekommen, Albert Hague seinerseits über Rom. Mimi M. nahm nun den "Assumed Name" Mary M. an. Ihre Schwester Ilse A. war 1938 mit ihrer Familie nach Großbritannien geflüchtet, wo sie dann u.a. als Vertreterin für Haushaltsgegenstände gearbeitet hat. Diese Stationen des Exils in den Lebensläufen der Mitglieder der Familien M. und Adler sind kaum durch Selbstzeugnisse belegt.

Von 1918 bis 1979 sind 12 amtliche Dokumente von Marie M. und ihren Verwandten erhalten, darunter die Bestätigung ihres "Assumed Name" und ihre Staatsbürger:innenschaftsurkunde aus den USA von 1946.

Daneben sind verschiedene jeweils ein- bis zweiseitige autobiografische Texte zu Helene H., Julius H., Mimi M. und Ilse A. vorhanden, die Nachfahrinnen und Nachfahren verfasst haben.



Ein großer Teil der Dokumente ist auch als Scan oder Abschrift übergeben worden.



Selbstzeugnisse von Mitgliedern der Familien M. und Kaufman sind auch übergeben worden an das Militärhistorische Museum der Bundeswehr Dresden (Kriegserinnerungen von Harry M.), das Historisches Archiv am Evangelischen Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge GmbH (KEH) (Unterlagen zur Berufstätigkeit von Harry M.) sowie das Archiv im Rhein-Kreis Neuss (Dokumente von Mitgliedern der Familie Kaufman).</p>
Anmerkung:
Aus Datenschutzgründen werden in diesem Online-Verzeichnis alle Nachnamen abgekürzt angegeben. Die mit den Übergeber/innen der Bestände jeweils vertraglich vereinbarte Verwendung der Namen ist bei der Recherche vor Ort abzuklären.
Gesamten Bestand von Sammlung Frauennachlässe anzeigen

Standort

Sammlung Frauennachlässe
c/o Institut für Geschichte, Universität Wien

Universitätsring 1
1010 Wien
Telefon: +43 (0)1 4277 408 12
Öffnungszeiten
Die Benutzung der Bestände erfolgt nach vorangegangener Terminvereinbarung und Vorlage des Forschungsvorhabens.
Benutzungszeiten, für die ein Termin vereinbart werden kann, sind Mi & Do 11.00 - 17.00 Uhr bzw. auf Anfrage (per Mail oder telefonisch).
Die erste Sichtung der Quellen erfolgt in den Räumlichkeiten der Sammlung Frauennachlässe. Für die spätere Bearbeitung ist eine Aufstellung der Materialien in der Fachbibliothek für Geschichte möglich.

Ich stimme der Nutzung von Google Maps zu.

Ähnliche Einträge