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Männer am Steuer: impotent!

Verfasst von: Slupik, Vera
in: EMMA
1982 , Heft: 8 , 16-20 S.

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Einrichtung: FrauenMediaTurm | Köln
Signatur: Z-Ü107:1982-8-a
Formatangabe: Bericht
Link: Volltext
Verfasst von: Slupik, Vera
In: EMMA
Jahr: 1982
Heft: 8
ISSN: 0721-9741
Sprache: Nicht einzuordnen
Beschreibung:
"Die Fahrprüfung ist keine Misswahl"
Typisch Frau, heißt es, wenn eine Fahrerin an der Kreuzung den Motor abwürgt", so schrieb kürzlich das Autojournal einer bundesdeutschen Illustrierten. Experten waren angetreten, weit verbreiteten Vorurteilen über Frau und Mann am Steuer zu Leibe zu rücken. Das Ergebnis dieser Bemühungen stand jedoch von vornherein fest: Männer fahren letztendlich doch besser als Frau. Wir wissen jetzt auch ganz genau warum: Frauen schminken sich nämlich - ungeachtet grüner Ampelsignale - selbstvergessen am Steuer. Rasante Männer, entschlossen, im dicken Straßenkreuzer jede sich bietende Chance zu nutzen, rammen dann das dürftige Kleinmobil, pardon, die Frisiertoilette. Denn: "Auf Kreuzungen werden Frauen schwach". Welche Autofahrerin kennt nicht den höflichen Gruß des Kavaliers am Steuer: "Kuh", "Zicke", "Ziege"?! Zeigt sich das starke Geschlecht untereinander den üblichen deutschen Vogel, so haben die Vollgasbürschchen für Frauen im PKW allerlei Obszönes drauf. Quietschende Reifen und eindeutige Handbewegungen gehören zum Alltag im Straßenverkehr. In einschlägigen Handbüchern wird Frauen verkündet: "Die Fahrprüfung ist keine Misswahl", eine Weisheit, die in Fahrlehrerkreisen offenbar noch nicht die Runde gemacht hat. Dass Männer komisch werden, handelt es sich um Automobile, wissen Frauen zur Genüge. "Mein Mann ist im allgemeinen ein ausgesprochen / netter Mensch, aber sobald er sich in sein Auto setzt, wird er zum unberechenbaren Flegel, zum rücksichtslosen Mitmenschen und pöbelnden Ehemann", schrieb eine Frau dem ADAC. "Ich habe immer das Gefühl, dass mein Mann das Auto als seine Domäne behalten will und deshalb so idiotisch reagiert." Wie wahr! Denn das Steuer ist eben auch eine der letzten ganz großen Männerbastionen. So wie das Schlafzimmer. Da kann l sich selbst der Softie kein Zurückweichen erlauben. i Wie schlecht Männer tatsächlich l fahren, wie rücksichtslos der i Asphalttiger am Steuer ist - da-\ von ist nicht die Rede. Männersache. Soziales Verhalten im l Straßenverkehr, bitteschön, i aber nur für Frauen. Männer fahren vorzugsweise ohne Sicherheitsgurt, Zigarette im Mund und gern auch voll.

Fast alle Unfälle, in denen Alko-1 hol im Spiel ist, werden laut Statistik von Männern verursacht. l 1980 waren 2,8% der männlichen Führerscheininhaber (Klasse 3) in einen Unfall verwickelt, aber nur 1,2% der weiblichen Fahrer. Obwohl Frauen I meistens in Verkehrsdichten Städten fahren, in denen sich insgesamt 70% aller Unfälle ereignen, verursachen sie wesentlich weniger Unfälle (ADAC). Nahezu fünf Millionen Frauen | sind Autobesitzerinnen und fast 10 Millionen haben den Führerschein. Dennoch ist das Bild des Menschen am Steuer männlich geprägt. Denn Männer lieben Autos, sie hegen und pflegen sie, träumen davon und verlassen die Kapitänsbrücke ihres Gefährts nur sehr ungern. Autoschlüssel in die Hände der Ehefrau? Bloß das nicht! Dass Frauen nur auf dem Beifahrersitz Platz nehmen dürfen, entspricht stillschweigender Männerübereinkunft. Der Mann als Beifahrer, der auch noch Bemerkungen über das Fahrvermögen der Frau am Steuer unterlässt, muss wohl erst geboren werden. Zehn Prozent der männlichen Autofahrer haben das in einer Befragung des Kfz-Handwerks und des TÜV in Nordrhein-Westfalen sogar ganz offen zugegeben: sie fühlen sich als Beifahrer einer Frau "unbehaglich". Jedem Mann seinen hübschen Ersatzphallus ist nicht nur die Parole der deutschen Automobilindustrie. Auch die Männer selbst handeln durchweg nach diesem Motto. Kennzeichnet man die Fahrweise von Frauen als sicher und vorsichtig, so ist die der Männer risikoreich und angriffslustig (Aralstudie 1978). Der männliche Nachwuchs zwischen 18 und 25 erzielt dabei
besondere Rekorde (siehe Kasten I). Verkehrswidriges Überholen, zu dichtes Auffahren und überhöhtes Tempo zählen da zu den "Leistungen" der Jungs. Die Herren der Schöpfung haben auch selten Schuldgefühle, im Gegenteil, sie verfügen über ein "gesundes Selbstbewusstsein": Gegen die Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit in dicht besiedelten Wohngebieten sprachen sich 57% aus! Sogar Familienväter teilten diese Auffassung zu 54% (Aralstudie). Ob sich ihre Meinung erst dann ändern wird, wenn die eigenen Kinder unterm Auto liegen?
Oft sind die Männer voll

Dass der Geschlechterkampf nicht nur in Bett und Büro tobt, sondern auch im Straßenverkehr, ist anerkannte Tatsache. Sieben Millionen Kraftwagenbesitzerinnen werden für 1985 vorausgesagt. Die Zahl der Führerscheinbesitzerinnen steigt ständig (Aralstudie). Dass Frauen ein Nachholbedürfnis haben, was das mit Autofahren assoziierte Gefühl von Unabhängigkeit und Mobilität betrifft, ist leicht zu verstehen, bedenkt man die Millionen Stunden erzwungener Sesshaftigkeit am häuslichen Herd. Ob Autofahren eine umweltfreundliche, sparsame und effektive Fortbewegungsart ist, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Aber auch hier muss man zwischen den Geschlechtern unterscheiden. Denn Frauen fahren eben nicht nur sparsamer und effektiver, sie verursachen auch wesentlich weniger Unfälle und geringere Schäden (siehe Kasten l und II). Ihre Einstellung gegenüber dem fahrbaren Untersatz ist rationaler und menschenfreundlicher. Für Männer spielt häufig eine Rolle, dass "ein Wagen bei meiner Position einfach dazugehört". Die tägliche Fahrt zur Arbeit ist für sie ein Statussymbol. Frauen dagegen bevorzugen "solide Kompaktfahrzeuge" und nutzen diese vor allem für Einkaufsfahrten. Obwohl es die weiblichen Autofahrer sind, die die grausamen Verkehrsunfallstatistiken nicht noch grausamer aussehen lassen, wird ihnen das Chauffieren allerorts vermiest. Erstaunlich ist deshalb, dass die meisten Frauen dennoch gerne fahren und gerade auch ältere Frauen mit Freude am Steuer sitzen. Sie fahren lieber als Männer in Gesellschaft, wechseln sich bei Fahrten ab, sprechen und singen gerne im Auto (Aralstudie). Denn das Fahren muss keine verbiesterte Raserei sein, das Kilometerfressen um jeden Preis.

Dass dem Kraftprotz am Steuer der fahrbare Untersatz bedenkenlos erhalten bleibt, haben sich Medien, Wissenschaftler und vor allem auch die Versicherungsunternehmen auf ihre Fahne geschrieben. Im Automobiljournal des "Stern" durften Wissenschaftler ihre Studie ausbreiten, die sich zur Stilisierung üblicher Klischees von Frauen am Steuer hervorragend eignet.

Gegen alle anderen Untersuchungen machten sie mit der Behauptung Front, dass Frauen doch die schlechteren Autofahrer sind, untersucht man nur die Verkehrsunfälle, in denen Frauen mit Männern kollidieren. Unterschlagen wird dabei natürlich, dass sich die meisten Unfälle ohnehin ausschließlich unter Männern abspielen und dass die Chance für eine Frau, von einem männlichen Kraftfahrer gerammt zu werden, geringer ist, als die, selbst einen Mann anzufahren. Denn es fahren eben heutzutage noch sehr viel weniger Frauen als Männer Auto. Außerdem wurde die hohe Dunkelziffer der Unfälle unbeachtet gelassen, die sich nicht in den polizeilichen Statistiken finden lassen. Aber was die Darstellung von Wissenschaft in den Männermedien betrifft, können Frauen nun mal nicht vorsichtig genug sein. Ein frauenfeindlicher Haken findet sich immer!

Vorbehalte gegen Frauen als Versicherungspflichtige Kfz-Halterinnen hat auch die Versicherungsbranche. Denn entgegen allen Vorurteilen fahren Frauen eben doch weniger unfallträchtig. Glaubt man den Äußerungen des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen, was die unterschiedlichen Versicherungstarife nach unterschiedlichem Risiko betrifft (siehe Kasten III), so müssten Frauen bei der Kraftfahrzeugversicherung bevorzugt werden. Das gilt vor allem für die jungen Frauen, die anerkanntermaßen viel weniger Unfälle machen, als junge Männer.

Frauen fahren weniger verbiestert!

Dies ist wohl zuviel verlangt von einer Branche, die zwar für Beamte, Angestellte im öffentlichen Dienst, Beschäftigte bei Kirchen und - man höre und staune - sogar für die Zeugen Jehovas zum Teil erheblich niedrigere Beiträge in allen Schadensklassen vorsieht, als für Normalbürger und Normalbürgerinnen, die sich aber nicht zu schade ist, das

Kasten 1

Fakten und Meinungen über Männer und Frauen am Steuer:

58% lehnen es ab, bei der Urlaubsreise ihre Frau ans Steuer zu lassen
41% der Männer meinen, dass sie Belastungen bei großen Fahrstrecken besser ertragen als Frauen.
5% der Männer meinen, dass Frauen aggressiver fahren.
10% der Männer fühlen sich neben einer Frau am Steuer unbehaglich.
90% der Männer meinen, dass Frauen weniger von Autotechnik verstehen.
21% der Männer meinen, dass Frauen schlechter fahren.
55% der Männer fahren am liebsten allein.
73% der Frauen wechseln sich beim Fahren gerne mit jemandem ab.
68% der Frauen habe Freude am Autofahren.
44% der männlichen Autobesitzer sind Arbeiter.
24% der weiblichen Autobesitzer sind Arbeiterinnen.
40% der Männer nennen das Auto als Hauptinteressengebiet.
9% der Frauen nennen das Auto als Hauptinteressengebiet.

Unfälle zwischen Anfängerinnen und Anfängern (18-20 Jahre):
Durchschnittlicher Schaden von Männern: 52.536 DM
Durchschnittlicher Schaden von Frauen: 47.624 DM

*Quellen: Aralstudie, Bochum 1978: Umfragen des Kfz-Handwerks NRW und TÜV im Winter 81/82; Autojournal Stern^

Kasten 2
Aus der Unfallstatistik des HUK-Verbandes (1978)

Unfalltyp Anteil in %
Frauen Männer
Überholen 9,2 90,8
Vorfahrtverletzung 13,8 86,2
Auffahren 6,1 93,9
Nichteinhalten des Rechtsfahrgebots 6,9 93,1
Abkommen von der Fahrbahn 7,4 92,6
Abbiegen, Wenden usw. 11,0 89,0
Rückwärtsfahren 9,3 90,7
Öffnen der Tür 13,8 86,2
Zusammenstoß mit Tier 4,2 95,8
Sonstige Unfälle 9,6 90,4
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