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Sauereien müssen sein

Verfasst von: EMMA
in: EMMA
1988 , Heft: 7 , 17 S.

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Einrichtung: FrauenMediaTurm | Köln
Signatur: Z-Ü107:1988-7-a
Formatangabe: Kommentar
Link: Volltext
Verfasst von: EMMA
In: EMMA
Jahr: 1988
Heft: 7
ISSN: 0721-9741
List of content:
  • "EMMA" [Feministische Zeitschrift]
  • Sprache: Nicht einzuordnen
    Beschreibung:
    Sauereinen müssen sein

    Erotik!! Worum geht es sonst zwischen uns beiden? Zwischen Mann und Frau ? Natürlich sind wir Männer Sexisten. Genauso wie ihr Frauen. Solange wir Spaß und Interesse aneinander haben, wird sich bei unseren Begegnungen nichts Wichtigeres in unseren Köpfen abspielen als eben jenes, Gott sei Dank.

    Das sei banal und typisch männlich? Ziemlich einseitig ? Mitnichten! Diskussionen zwischen den Geschlechtern werden erst wirklich spannend, wenn Erotik nebendran knistert und alles zu verschlingen droht. Eine intelligente Frau ist für uns auch stets sinnlich, sexy, begehrenswert. Nicht für Kopfficks, sondern für Körperkriege. Alles andere, Philosophie, Revolution und Buchhaltung, kommen weit hinter unserem Trieb. Wer's nicht mag, soll weiter muffen!

    Sauereien müssen sein. Das, was sich in jedem von uns ereignet, verboten oder erlaubt, muß raus. Nicht weil's nichts Schöneres gibt, sondern weil's wahr ist. Gelogen haben wir genug. Wir Männer haben gelogen, daß wir die Frau jetzt endlich als Menschen, nicht als Sexobjekt ansehen. In Wahrheit haben ein paar von uns begriffen, daß jeder Mensch bestenfalls ein Sexobjekt ist; und wenn nicht, ersieh danach sehnt. Was gemeinhin als Sexismus verschrien ist, ist die unerlaubte Sauerei. Und Sinnlichkeit ist das banalste Tabu in diesem Lande.

    Drei Tage haben sieben Männer bei EMMA Nüsse geknackt. Sich entblößt, sich entblödet. Nur keine Streicheleinheiten für die Frau! Nur keine männlich larmoyanten Selbstbespiegelungen! Erst recht kein verlogenes Anerkennen von EMMA als Grundwertekommission des Feminismus! Zugegeben - wir haben uns ausgekotzt. Und es hat uns gutgetan. Manche von uns haben schon lange nicht mehr so befreit unter Männern die Hose runtergelassen. Im besten Wortsinn. Sicher werden wir mit unserem Heft bei vielen Lesern nicht gut wegkommen. Gerade bei Männern nicht. Zu selbstironisch, zu entlarvend, zu schamlos gehen wir mit unseren Unsicherheiten und Widersprüchen um. Und deren gab es in den drei Kölner Tagen reichlich. Eines haben wir gelernt: Die Front bleibt bestehen. Und das ist gut so.

    Hat was mit Erotik zu tun.
    Herzlichst
    Ihr HeRBERT

    Angenehm
    WIE LESBISCH IST EMMA WIRK-lich? Ehrlich gesagt, ich habe es in den gut zweieinhalb Tagen meines durchaus angenehmen Gastspiels nicht herausgefunden. Nichts ist dran an dem Image vom männermordenden Tick jener Frauen, die den wichtigsten aller kleinen Unterschiede dieser Welt ignorieren. Sie sind auch nicht die Schwanz-ab-Schwestern, für die sie zumindest der Großteil der männlichen Nation hält. Die Emmas - Alice, Susanne, Cornelia und Judith - passen so gar nicht in die Schublade männlich-chauvinistischer Schablonvorstellung. Ihnen fehlt nichts von dem wohl in allen anderen Redaktionen so sattsam bekannten und geschätzten kumpelig-kollegialen Verhalten weiblicher Raffinesse. Zugegeben: Auf der Fahrt in die Kölner Emanzen-Redaktion kamen plötzlich Zweifel, leichte Berührungsängste und Beklemmung. Ein völlig unbegründeter Zustand, denn die Frauen von der Feministinnen-Front ließen die Männer wursteln und verkrochen sich in ihre Stuben.

    Die Frage war vielmehr: wie kommen sieben gestandene Mannsbilder unter einen Hut? Schwerlich, männlich kompliziert. Sollte eigentlich MANN denen das Geschäft besorgen, die nur darauf aus sind, patriarchalische Errungenschaften zu kappen? Was ist es denn, Mut, Masochismus oder was sonst, wenn MANN bei EMMA mitmacht? Was mich angeht, so war es reine Neugier, ein Abenteuer mit erheblichem Reiz, keine reine Freude, aber ein Erlebnis mit Gewinn. Meine gefestigten Voruteile gerieten ein wenig ins Wanken - ohne grundlegende Veränderungsmerkmale.

    Nach meinem Auftritt bei den Emmas aber passiert mir das nicht mehr: Früher verdrängten sich schon mal Gedanken an die ganz sicher vorhandene Gewalt durch Sprache und an die Vorkämpferinnen Alice Schwarzer und Senta Trömel-Plötz. Verballhornungen wie Trümmel-Plüntz haben keinen Platz mehr in meinem Hirn, in das in diesen Tagen ein bißchen mehr feministisches Denken eingezogen ist. Verändert hat sich in den Tagen bei Emma ansonsten nichts. Ich bleibe was ich bin: ein Mann.
    HERMANN HENKEL

    Anmache
    ICH DACHTE, ICH KOMME IN DEN Pfuhl. Atmosphäre wie im Kroko-Bassin. Lauernde Frauenblicke. Hämische Sprüche. Totale Kontrolle. Verspannte Tanten. Und über den Wassern Alice, die allgegenwärtige Domina. Doch was geschah?

    Das Lächeln des Feminismus hat mich besiegt. Nicht, daß sie mich auf ihre Pritsche gezogen hätten; an ihrer Sache ist einiges ein ziemlicher Seich. Doch die haben ihr Ding, und es tut ihnen gut. Diese höchst produktive Bunkermentalität verblüffte mich, reizte mich. Eine überaus erotische Angelegenheit. Jede Frau ist besiegbar? Die hier nicht. Und diese Stärke macht mich an.
    HOLGER FUSS

    Feinbild
    AM ERSTEN ABEND SITZEN WIR in der Kneipe, wir EMMA-Männer und die EMMA-Frauen. Noch nie hab ich mit so vielen Frauen zu tun gehabt, die so wenig von mir wissen wollten. Alle interessanten Fragen muß man selber stellen: "Wie lebst Du, wie geht es Dir mit uns?" Hat EMMA Angst vor uns? Daß wir nicht ins Feindbild passen? Für Alice Schwarzer sind wir die "netten Jungs". Später kommt dann auch Neugierde auf: "Was machen die aus unserem Blatt?" Der Ton ist locker, der Umgang fröhlich, aber die Distanz bleibt. Man kocht uns sogar Kaffee.

    Und wir eitlen Neugierigen, was wollen wir hier? Für uns ist der Feminismus doch eigentlich abgehakt, im Grunde langweilig. Wer will denn ernsthaft das Recht der Frauen auf Gleichberechtigung bestreiten? Wer fühlt sich provoziert, wenn er Chauvi genannt wird? EMMA hat doch einen Bart. Das sind die alten Kämpferinnen, die noch gar nicht gemerkt haben, daß sich die Zeiten geändert haben und die Frauen heute das Feindbild Mann gar nicht mehr nötig haben, um sich zu behaupten.

    Haben wir das Feindbild Emanze nötig? Ich finde, Frauen sollen so stark sein, dass sie ihre Interessen artikulieren können, ohne daraus den Anspruch abzuleiten, daß dem dann auch gehorsam nachgekommen werden muß. Ich will mich also mit Frauen streiten können.

    Ein guter Streit setzt Achtung voraus, denn seine Voraussetzung ist: der andere könnte auch recht haben. Mit Feinden streitet man nicht, man hält sie sich vom Leib. Man will von ihnen auch gar nichts wissen, weil das sonst schwer machen würde, sie als Feinde von sich wegzudefinieren. Auch auf die liberale Art: laß die mal machen, Frauenthemen sind Frauensache. Auch zuviel Freundschaft, falsche Freundschaft, steht einem Streit im Weg: wer uns zu nah steht, den kann man kaum angreifen, ohne sich zu verletzen.

    Ich wünschte mir, daß das, was wir hier machen, ein Beitrag für einen guten Streit ist. Daß EMMA ihre Schubladen öffnet. Daß Männer sich mal wieder für ihre Rolle interessieren. Daß Feindbilder überwunden werden, indem man sie ironisch bestätigt.

    Der Anfang war wenig ermutigend. Die deutsche Männerwelt hat sich mit ihren Zuschriften blamiert. Wir lachen uns mit diesen Seiten über unsere Sprachlosigkeit hinweg. Mir persönlich fehlt auch die politische Auseinandersetzung neben der Provokation. Ihr habt gesagt, in Zukunft macht ihr EMMA wieder alleine. In Ordnung, streiten wir uns anderswo weiter.
    THOMAS SCHMITZ-GÜNTHER

    Streckbett

    SOLL ICH DIR DIE LILA BOLLER-hose von meiner Freundin leihen?", soviel geballten Mutter - (sorry, Emma) - Witz wohlgesonnener Kollegen mußte ich vor meinen Eintritt in die Emma-Redaktion erstmal verdauen. Was haben die Kolleginnen und Kollegen erwartet? Daß wir sieben Männer-Emmas aufs Streckbett kommen? Daß wir uns als Softies von den Frauen die Richtung vorgeben lassen? War doch alles nicht. Das wußten doch eigentlich alle, die uns neugierig oder hämisch angerufen haben und wissen wollten, na, wie isses denn so? Schon in der Pressemitteilung von Alice Schwarzer konnte man lesen, sechs Redakteure und ein Layouter machen einen Männerteil nach ihrer Facon. Damit wollten oder konnten sich einige offenbar nicht zufriedengeben. Ich denke da an einen Kollegen vom Fernsehen ("würde ich nie machen"), der sich seine Meinung von der Recherche lieber nicht kaputtmachen lassen wollte. Pech für ihn, ihn traf die geballte Solidaritätsladung von sieben Männern. So einfach wollten wir es ihm denn doch nicht machen.

    Es waren nette drei Tage. Mit Frust ("schaffen wir das überhaupt noch") und Ärger über zu lange Diskussionen. Aber auch viel Spaß und Blödeleien, sogar chauvinistische...

    Ich gehe nicht "verändert" weg. In drei Tagen kann sich wohl niemand wirklich ändern. Ich habe auch kein neues Frauenbild oder mein altes korrigiert. Das mußte ich wohl auch nicht. In meiner täglichen Arbeit komme ich mit mehr Kolleginnen zusammen als die Emma-Redaktion stark ist. Meinen skeptischen Kollegen in der ARD werde ich sagen, daß Emma-Frauen auch nicht anders sind als ihre Frauen und Freundinnen. Die die gleichen Sorgen und Freuden haben ("Mein Freund und ich sehen uns nur am Wochenende. Und das klappt sogar", Originalton einer Emma-Redakteurin). Ich hoffe allerdings, daß die Emma-Frauen in der Zukunft ein weniger dröges Blatt machen werden. Ich befürchte, sonst wird "Emma" eines Tages eine Zeitschrift für emanzipierte Altersheimbewohnerinnen und -bewohner. Motto: Weißt Du noch damals auffe §218-Demo? Das wäre schade. Ich glaube nicht, daß wir mit unseren Beiträgen dazu beigetragen haben, aber hoffentlich mit den vielen Diskussionen, die hier nicht abgedruckt worden sind (was'n Glück). Und nur ganz nebenbei - die lila Bollerhose habe ich überhaupt nicht gebraucht.
    GUNNAR SCHULTZ-BURKEL

    Anchleimerei

    WIRKAMEN ALS SOFTIES UND jenen als Kerls. War's so gedacht? Ich erlebte hier eine vom 1anne losgelöste heitere Weiblichkeit, die mich staunen machte und flüchten ließ in männerbündische Verbalferkelorgien. Seit Juniortagen hab ich nicht mehr so viel geschweinigelt wie in diesen vier Tagen zwischen Emmas, die lächelnd an unserem gemeinsamen Redaktionstisch vorbeigingen und Unmassen von belegten Brötchen vertilgten. Das Lächeln war spöttisch, selbstsicher und schnitt in die Seele. Es machte mich verdammt unsicher. Wir flohen zu ausführlichen Mittag- und Abendessen in männeranheimelnde Kölsch-Kneipen, versuchten ernsthaft zu sein und landeten doch immer im Müllkübel sexistischer Macho-Gaudi: "Sie werden gerade vergewaltigt, a) Flehen Sie um Gnade, b) ziehen Sie sich zurück, c) feuern Sie ihn an" - aus einem selbstgestrickten Psychotest. Scheiße das. Wieviel Mist in einem drinnen steckt. Ich war sechs, als ich die erste Freundin in der Schlierseer Volksschule hatte. Annemirl hieß sie, und ich nahm sie mit zu meiner Mutter nach Hause. Dort wusch sie statt meiner das Geschirr ab. Guter Anfang für einen Vollmann. Nach 40 Jahren bin ich kaum näher rangekommen an die Frauen. Vielleicht bis zum Abtrocknen dessen, was die Annemirls abwaschen. Erkenntnis bei EMMA.

    Ich dachte, ich sei viel weiter, sah mich als Freund und Helfer der Frauenbewegung. Jetzt weiß ich, daß Unterstützung von ferne die geschickteste Form unauffälliger Distanzierung ist. Ich weiß, daß ich dieser Erkenntnis keine Taten folgen lasse, es macht mich zu verlegen.
    NIKLAS FRANK

    Entzauert
    EMMA IST FÜR MICH ENTZAU-bert. Das Blattgold eines Mythos namens Alice Schwarzer zerfällt zu Staub - in dem Moment, in dem man ihr zum ersten Mal die Hand drückt. Sie wirkt so weltlich. Das freut und irritiert mich zugleich. Es war so, als ob man sein erstes gemeinsames Bier mit Menschen trinkt, über die man zuvor viel Verwirrendes hörte und las und jetzt erleichtert feststellt: Es sind dufte Kumpels. Für mich ist EMMA mit ihren Ansprüchen und Zielen begreifbarer geworden. Nicht, daß sie michüberzeugt hätten, aber sie haben starken Eindruck hinterlassen. Das wird sicher auch meine Fraufreuen, mit de r ich oft genug wegen EMMA Streit hatte. Sie ist Stammleserin.
    ALEXANDER BÜTÜN

    Und…
    HERBERT-Art-Direktor CHRISTOPH PRACHT erleichtert nach seiner EMMA-Zeit: "Buchstaben haben kein Geschlecht."
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