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0. Vorwort

in: B 3 - Frauenhaus Rems-Murr

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Einrichtung: baf e.V. | Tübingen
In: B 3 - Frauenhaus Rems-Murr
Körperschaft: Frauenhaus Rems-Murr e.V.
Bestell-Signatur: FH WN 00
Sprache: Nicht einzuordnen
Beschreibung:
Die Geschichte des Vereins "Frauenhaus Rems-Murr e.V." wurde bereits ausführlich im Vor-wort des "Inventar Neue Frauenbewegung - Bestand: Frauenhaus Schorndorf" gewürdigt. Dieses bundesweite Projekt "Inventar Neue Frauenbewegung 1968-1995" trug in den Jahren 1998/99 herausragende Bestände zur Neuen Frauenbewegung aus dem gesamten Bundes-gebiet auf einer Datenbank zusammen und stellte sie anschließend als CD-Rom zur Verfü-gung. Auch der Bestand des Frauenhauses Rems-Murr wurde dort in Auszügen aufgenom-men. Ich beschränke mich daher im Folgenden auf wichtige Eckdaten des Vereins und die Überlieferung seines Bestands in seiner jetzigen vollständigen Erfassung und Verzeichnung.

Der Verein wurde 1980 gegründet mit dem Ziel, im Landkreis Rems-Murr ein autonomes, selbstverwaltetes Frauenhaus für psychisch und physisch misshandelte Frauen einzurichten und zu betreiben. 1981 wurden Büroräume in der "Manufaktur" in der Gmünder Straße 36 in Schorndorf angemietet, in denen auch eine Beratungsstelle die Arbeit aufnahm. Im Septem-ber 1982 konnte ein Wohnhaus für schutzsuchende Frauen und Kinder bezogen werden. Nach einem weiteren Umzug Ende 1984 hatte das Büro des Vereins seine Adresse am Au-gustenplatz 4, im "Gemeinschaftshaus" der Stadt. Die Büroräume und das Wohnhaus wurden von der Stadt Schorndorf mietfrei zur Verfügung gestellt. Die Personal- und Sachkosten für das Schutzhaus mussten jedoch ausschließlich über den § 72 BSHG finanziert werden, da weder die im Kreis liegenden Städte (Winnenden, Waiblingen, Weinstadt, Fellbach, Backn-ang) noch das Landratsamt an einer ausreichenden Unterstützung des Frauenhauses interes-siert waren (vgl. bes. FH WN 018). Da diese Finanzierung bei weitem nicht ausreichte, muss-te der Verein zum Ende des Jahres 1993 die Trägerschaft des Frauenhauses aufgeben. Am 7. Juli 1994 löste sich auch der Verein auf.



Organisation und Betriebsführung von Verein und Frauenhaus können nur aus dem Material heraus rekonstruiert werden, da ein Exemplar der Satzung im Vereinsbestand fehlt. Die ein-mal jährlich abgehaltene Mitgliederversammlung wählte den zunächst vier-, ab 1988 fünf-köpfigen Vorstand (FH WN 001). Die gesamte Betriebsführung lag jedoch in den Händen des Plenums (FH WN 002-004). Das Plenum setzte sich zusammen aus Mitgliedern des Vor-stands und weiteren aktiven Mitfrauen des Vereins. In seinen zweiwöchentlich stattfindenden Plenumsversammlungen wurden alle anstehenden Fragen zu Organisation und Betrieb des Frauenhauses besprochen, Veranstaltungen zum Einwerben von Spenden vorbereitet, Finan-zierungsmodelle mit Kreis- und Stadtverwaltung diskutiert, anstehende Gespräche mit Land-ratsamt und Bürgermeistern abgestimmt sowie die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen im Frau-enhaus eingestellt und entlassen. Der Vorstand hatte keine eigenen Aufgabengebiete. Hinwei-se auf eigene Vorstandssitzungen fehlen, er sollte das Kollektiv lediglich nach außen vertre-ten. (vgl. FH WN 001, Diskussion über die Satzung 1980). Nach Auseinandersetzungen um die Kompetenzen zwischen Vorstand, Plenum und Hauptamtlichen wurde 1988 auf der Mit-gliederversammlung die Satzung diesbezüglich noch einmal geändert. Die jetzt fünf Vor-standsmitglieder sollten sich nun auch offiziell die Vorstandsarbeit kollektiv teilen und eng mit dem Plenum zusammenarbeiten.

Neben diesen organisatorischen Tätigkeiten wurden von den aktiven Vereinsfrauen telefoni-sche Beratungsgespräche für Hilfesuchende angeboten und in Ergebnisprotokollen dokumen-tiert (FH WN 034).

Im Frauenhaus selbst arbeiteten drei hauptamtlich bezahlte Halbtagskräfte (Sozialpädagogin, Erzieherin, Verwaltung). Sie wurden unterstützt von zwei Praktikantinnen und eins bis acht Ehrenamtlichen. In ihrer "Mitarbeiterinnenrunde" (FH WN 005) fanden wöchentlich Teambe-sprechungen statt, an denen auch die 1. Vorsitzende des Vereins teilnahm. In unregelmäßi-gen Abständen gab es im Frauenhaus zudem Versammlungen der Hausbewohnerinnen un-tereinander, die im "Hausversammlungsbuch" dokumentiert sind (FH WN 006). Um die Ta-gesgeschäfte in Haus und Büro untereinander zur Kenntnis zu bringen, wurde zusätzlich schriftlich über sogenannte "Infofluss"-Mappen kommuniziert (FH WN 010-017). Die schriftli-che Dokumentation der Arbeitsorganisation wird schließlich vervollständigt über die Dienstar-beitspläne und Terminkalender (FH WN 007-009).



Der Verein "Frauenhaus Rems-Murr e.V." war vielfältig vernetzt. Er gehörte seit 1983 der Landesarbeitsgemeinschaft der autonomen Frauenhäuser und -initiativen in Baden-Württemberg" an (FH WN 019-021) und war Teil des bundesweiten Netzwerkes ZIF - Zentra-le Informationsstelle für autonome Frauenhäuser (FH WN 022-027, 049-051). Seit dem Jahr 1984 war der Verein außerdem Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband (FH WN 031-033). Auf diversen Treffen der Netzwerke war die unzureichende Finanzierung des Frauenhauses Rems-Murr ein stetig wiederkehrendes Diskussionsthema, bei dem insbeson-dere der DPWV aktiv um Alternativen bemüht war.



Eine Besonderheit schließlich bildet der Teilbestand "Bewohnerinnen im Frauenhaus". Lückenlos sind hier die - von den Mitarbeiterinnen anonymisierten - Aufenthalte der Frauen und Kinder dokumentiert, die zwischen 1982 und 1993 im Frauenhaus Schutz suchten (FH WN 035-043). Protokolle der Aufnahmegespräche, Finanzanträge zur Kostenübernahme, Stel-lungnahmen, Sozialberichte, Weiterbewilligungsanträge und Abmeldungen lassen ein dichtes Soziogramm der Bewohnerinnen, ihrer Motivationen und Umgangsweisen mit dem Frauen-haus deutlich werden.

Das Material des Gesamtbestands wurde mit der nun fertiggestellten Ordnung und Verpa-ckung dauerhaft archiviert. Dazu wurden die vorhandenen Einheiten aus den Ordnern in Einschlagmappen umgepackt und entklammert sowie an einigen Stellen in übersichtlichere Ak-teneinheiten unterteilt. Das Material der Nummern 049-052 konnte erst lange nach der Ver-zeichnung dem Bestand hinzugefügt werden. Deshalb konnte das Nachfolgeperiodikum des Frauenhaus-Info national ab 1988, das ZIF-INFO (FH WN 049-051), nicht mehr unter die Rubrik Vernetzung eingeordnet werden. Es hat in der Rubrik "Materialien" Platz gefunden.

Zusammen mit den Einheiten, die im "Inventar Neue Frauenbewegung" noch nicht berücksichtigt worden waren - es handelt sich um die Signaturen FH WN 018-022, 024, 027, 030-033, 045-046, 049-052 - umfasst der Bestand nun 52 Akteneinheiten auf insgesamt

zwei lfm. Eine Konkordanz zur Verzeichnung "Inventar Neue Frauenbewegung" ist in der Datenbank enthalten.



Literatur:



- In A 1 - BAF Graue Literatur Ba-Wü und A 2 - BAF Graue Literatur sind nahezu alle baden-württembergischen Frauenhäuser dokumentiert, s. bes. die Jubiläumsschriften zu Stuttgart, Reutlingen, Karlsruhe, Zollernalbkreis und Tübingen; s. ebenso unter dem Themengebiet Gewalt gegen Frauen/Mädchen den Aktentitel "Häusliche Gewalt/Frauenhäuser" (GL 441).

- D 1 - Landesfrauenrat Ba-Wü; der Landesfrauenrat beschäftigte sich zeitweise intensiv mit der Finanzierung der Frauenhäuser im Land, s. bes. die Nrn. 13-15, 89, 121, 126, 128, 132 und 133 (Frauenhaus Rems-Murr e.V.), 159, 195, 297-298



Zum Weiterlesen:

- Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland mit Unterstützung des Bun-desministeriums für Familie, Senioren, Frauen u. Jugend (Hg.): Fachforum Frauenhaus in Bewegung. Dokumentation der Tagung vom 20.-22.11.1996 in Berlin

- Hagemann-White, Carol: Die Frauenhausbewegung. In: Kristine von Soden (Hg.): Der große Unterschied. Berlin 1988, 48-52

- Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (Hg.): 30 Jahre Frauenhausbewegung in Europa. Wien 2004



Bea Dörr und Gesa Ingendahl, Juli 2005
Gesamten Bestand von BAF anzeigen

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