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0. Vorwort

in: D 1 - Landesfrauenrat BaWü

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Einrichtung: baf e.V. | Tübingen
In: D 1 - Landesfrauenrat BaWü
Körperschaft: Landesfrauenrat Baden-Württemberg (LFR)
Bestell-Signatur: LFR 000
Sprache: Nicht einzuordnen
Beschreibung:
Gründung, Entwicklung und Aufbau des Landesfrauenrats

Der Landesfrauenrat Baden-Württemberg (LFR) wurde 1969 gegründet (Ord-Nr. 1-2). Zu-nächst unter dem Namen "Frauenrat Baden-Württemberg" kamen am 6. Dezember 1969 30 Frauenverbände und Frauengruppen des Landes zusammen, um eine Dachorganisation ins Leben zu rufen, in der politische Anliegen gemeinsam bearbeitet und öffentlichkeitswirksam vertreten werden konnten.

Von Beginn an vereinte der LFR unabhängig, überparteilich und überkonfessionell Frauenor-ganisationen und -gruppen unterschiedlicher Ausrichtung unter einem Dach (Ord-Nr.1, 4, 29-30). Satzungsgemäß versteht er sich als Schnittstelle zwischen organisierten Frauen und den Regierungsstellen im Land. Nach innen soll die Zusammenarbeit und die Diskussion unter den Frauen befördert und der Austausch untereinander vorangetrieben werden. Nach außen sol-len durch schriftliche Stellungnahmen an zuständige Stellen und durch Mitarbeit in Ausschüs-sen der Landesregierung und anderen wichtigen Gremien der politischen Meinungsbildung Öffentlichkeit und PolitikerInnen für die Belange und Wünsche von Frauen im Land sensibili-siert werden. Hatte in der ersten Satzung noch jeder frauenpolitische Bezug gefehlt, so entwi-ckelte sich der LFR in den nächsten 20 Jahren zu einer selbstbewussten Frauenlobby, die das Ziel der Chancengleichheit und Gleichberechtigung von Frauen offensiv vertrat (Ord-Nr. 4; Dörr/Siebert 1997, 26-28). Diese Ziele sind bis heute maßgeblich für die erfolgreiche Arbeit des LFR.

In der Organisationsstruktur des LFR schlägt sich seine Zielsetzung deutlich nieder (Ord-Nr. 5): Frauenverbände, die landesweit frauenpolitisch aktiv sind und Vereinsstrukturen aufwei-sen, können auf Antrag Mitglied im LFR werden. Aus den Mitgliedsverbänden werden Dele-gierte zu den zweimal jährlich veranstalteten Delegiertenversammlungen entsandt. Sie sind das oberste Beschlussorgan des LFR (Ord-Nr. 35-70). Hier gibt der Vorstand seinen jährli-chen Rechenschaftsbericht ab. Es werden neue Mitglieder aufgenommen, die zukünftigen Schwerpunkte der Lobbyarbeit festgelegt und Anträge aus den Verbänden abgestimmt. Die interne Versammlung wird flankiert von einer öffentlichen Informationstagung, zu der exter-ne ReferentInnen zu einem frauenpolitisch aktuellen Thema eingeladen werden. Die Delegier-ten sind, nach einem bestimmten Schlüssel, wahlberechtigt und wählen die Vertreterinnen für den Rundfunkrat (Ord-Nr. 150, 181) und für den geschäftsführenden Vorstand.

Der Vorstand besteht aus 9 Frauen, die auf 3 Jahre gewählt werden (Ord-Nr. 10-20). Sie arbeiten ehrenamtlich, vertreten den LFR nach außen und koordinieren die Zusammenarbeit der Verbände untereinander. In der Zusammensetzung sollen seine Mitglieder das heterogene Gesamtbild des Verbandes wiederspiegeln (Vgl. Dörr/Siebert, 35). Ihnen zur Seite stehen in der Geschäftsstelle zwei hauptamtliche Sachbearbeiterinnen, eine wissenschaftliche Mitarbei-terin und eine verantwortliche Redakteurin für den monatlichen Rundbrief.

Finanziert wird die Arbeit des LFR im wesentlichen über einen - knapp bemessenen - Zu-schuss des Landes Baden-Württemberg (Ord-Nr. 31). Zusätzlich entrichten die Mitgliedsver-bände einen jährlichen Beitrag, gestaffelt nach der Größe ihres Verbandes (Ord-Nr. 7).

Wurde auf der Delegiertenversammlung Interesse an einem bestimmten Thema angemeldet oder haben die Vorstandsmitglieder Bedarf, sich thematisch eingehend zu informieren, so können sie entweder zu einem eng begrenzten Thema selbst die Initiative ergreifen und in ihren Sitzungen schriftliche Kommentare oder Unterstützungsadressen formulieren (Ord-Nr. 112-154). Oder sie rufen Arbeitskreise ins Leben (Ord-Nr. 71-111). Hier arbeiten ExpertIn-nen aus den Mitgliedsverbänden, unterstützt von nichtorganisierten Fachfrauen in einer be-grenzten Zeit zu aktuellen frauenpolitischen Themen. Sie formulieren Stellungnahmen, die an den Vorstand weitergegeben werden, damit dieser sie nach außen vertritt. Die Arbeitskreise sind eine wichtige Einrichtung innerhalb des LFR, die den fachlichen Austausch innerhalb der Verbände nachhaltig fördert und fordert.

Mit dem Jahr 1984 kamen neu die Verbandsvorsitzendenkonferenzen hinzu (Ord-Nr. 32). Sie finden einmal jährlich statt, stehen unter einem aktuellen Thema und laden zu Netzwerk-arbeit und intensivem Austausch zwischen Vorstand und den Verbänden ein.

Neueren Datums sind auch die Fachausschüsse. Seit 1994 erarbeiten hier ExpertInnen aus den Verbänden umfangreiche Beurteilungen zu gesellschaftlichen Grundsatzthemen. Die Arbeit findet zudem in enger Kooperation mit dem Ministerium statt. Im vorliegenden Bestand ist die Arbeit des Fachausschuss "Gewalt gegen Frauen" überliefert (Ord-Nr. 111).

Neben diesen ausdifferenzierten Instrumentarien fachlichen Austauschs untereinander ist der LFR in zahlreichen landespolitischen Gremien tätig und macht dort frauenpolitische Lobbyar-beit. Diese Arbeit reicht vom Kuratorium für Frauenfragen, 1985-1994 bei der Landesregie-rung als Beratungsgremium angesiedelt (Ord-Nr. 185-200), über die Landeszentrale für po-litische Bildung (Ord-Nr. 155-156) und verschiedene Kommissionen, die von den Landes-ministerien oder den Kommunen einberufen wurden (Ord-Nr. 157-158, 161-181, 184), bis zu Beiräten verschiedener Frauenprojekte aus der autonomen Frauenbewegung und Arbeits-gruppen der kommunalen Frauenbeauftragten (Ord-Nr. 159-160, 182).

Außerhalb der Gremienarbeit bringt sich der LFR nicht zuletzt auch schriftlich in die öffentli-che frauenpolitische Meinungsbildung ein. In vielfältiger Korrespondenz mit den Mitglieds-verbänden (Ord-Nr. 201-218), den Landesfrauenräten anderer Bundesländer und dem Deut-schen Frauenrat (Ord-Nr. 219-227), mit sämtlichen Ministerien auf Landes- und Bundesebene (Ord-Nr. 228-241) sowie mit den politischen Parteien (Ord-Nr. 242-247) stehen die Vor-standsmitglieder und Hauptamtlichen im fachlichen Austausch mit ExpertInnen, fordern Stel-lungnahmen von Behörden, kritisieren Gesetzesvorhaben oder Beschlüsse und mahnen die Berücksichtigung spezifischer Frauenbelange an.

Die Gründung, Entwicklung und Wirkung des LFR konnte hier nur angerissen werden. Ver-wiesen sei deshalb ausdrücklich auf die Aufarbeitung der Geschichte des LFR durch Bea Dörr und Ulla Siebert aus dem Jahr 1997. Das Werk wurde 1994 anlässlich des 25jährigen Jubiläums des LFR initiiert und enthält in vier Kapiteln alles Wissenswerte zu Organisation und Aufbau des LFR, seiner Arbeit und seiner Wirksamkeit. Außerdem machten die Autorinnen Interviews mit den Vorstandsfrauen, die sie passagenweise als persönliche Eindrücke zu den jeweiligen Themen hinzufügten. Im ausführlichen Anhang sind die Mitgliedsverbände zum Stichjahr 1995 aufgelistet, die Themen und Beschlüsse der Delegiertenversammlungen, Ar-beitskreise und Fachausschüsse, die Reihenfolge der Vorstandsvorsitzenden, die Gremienar-beit des LFR und die seit 1991 geltende Satzung.



Verzeichnung des Bestands

Die Akten des LFR gelangten 1998/99 in zwei Lieferungen von insgesamt 14 lfm an das BAF-Archiv. Dem vorausgegangen war eine `konzertierte Aktion' zwischen der Landesarchivdirek-tion, dem Landesfrauenrat und BAF e.V., vertreten durch Susanne Maurer. Sie hatten sich darauf verständigt, a) BAF als dezentrales Archiv der sozialen Bewegung "Neue Frauenbe-wegung" auf dem Weg zu unterstützen, ein `Landesfrauenarchiv' zu werden und b) die Mate-rialien des LFR dauerhaft zu archivieren. Anstatt das Material des LFR an das Hauptstaatsar-chiv abzugeben, wurde vereinbart, die Bestände an BAF zur Archivierung zu übergeben. Die Landesarchivdirektion sollte sich im Gegenzug über die landeseigene Stiftung Kulturgut Ba-den-Württemberg um mögliche finanzielle Unterstützung bemühen. Die abzugebenden Akten wurden anschließend vom LFR ausgesucht und über Bestandslisten erfasst, bevor sie teils über Paketdienste und teils mit Privat-Pkws von Stuttgart nach Tübingen gelangten.

Abgegeben wurde der gesamte Aktenbestand aus den Jahren 1968 -1990 (die Akten des Kuratoriums für Frauenfragen beginnen allerdings erst im Jahr 1987), der Gesamtbestand bis 1995 ohne Finanzunterlagen und Vorstandsprotokolle sowie einzelne abgeschlossene Akten bis 1999, im Wesentlichen von Delegiertenversammlungen und dem Fachausschuss Gewalt gegen Frauen. Die Ordnung der Leitzordner war durchgängig aus dem Gebrauchszusam-menhang der Geschäftsstelle entwickelt worden. Sie unterschied zwischen Vorstand, Dele-giertenversammlungen, Kasse, Korrespondenz und Themen. Diese Gliederung hatte insge-samt das Herkunftsprinzip der Schriftstücke gut bewahrt und konnte deshalb bei der Inventa-risierung zugrundegelegt werden. Lediglich die Themen-Ordner wurden beim Verzeichnen neu strukturiert. Hier hatte der schnelle und vollständige Zugriff auf bestimmte Inhalte im Vor-dergrund gestanden, während der Entstehungszusammenhang der Schriftstücke nachrangig behandelt worden war. Um jedoch das Spektrum der behandelten Themen in der Vielfalt der Organisations- und Kommunikationsstrukturen des LFR transparent zu machen, wurden die thematischen Ordner bei der Verzeichnung den Provenienzen nach unterteilt und tief er-schlossen. Für die in den Themenordnern ebenfalls gesammelten, teilweise sehr umfangrei-chen Materialsammlungen wurde, soweit sie nicht im unmittelbaren Gebrauchszusamenhang standen, ein eigener Klassifikationspunkt gebildet. Sie ergänzen damit ähnliche Sammlungen an Grauer Literatur im Bestand des BAF-Archivs.

Großzügig kassiert wurden die Ordner mit den Kassenbelegen. Archiviert wurden lediglich die Jahresübersichten sowie exemplarisch für die Buchhaltungspraxis des LFR die Zusammen-stellungen des Jahres 1984.

Innerhalb der Korrespondenz wurde selektiv kassiert, da spätestens mit dem Einsatz von Fax- und E-Mail-Verteilern die Zusendung von Pressemitteilungen u.ä. vornehmlich der großen Parteien und Verbände ins Uferlose zunimmt. Hier wurde davon ausgegangen, dass sie über eine eigene Überlieferung verfügen. Ihre Presse- und sonstigen Mitteilungen, die ohne Bezug in den Korrespondenzordnern verblieben, wurden deshalb kassiert mit Ausnahme einiger Exemplare, die die Sammlungspraxis des LFR dokumentieren sollen. Bewahrt wurden jedoch die Verlautbarungen kleinerer Verbände und Organisationen. Bei ihnen ist die eigene Überlie-ferung vielleicht lückenhaft und kann über die Sammlung beim LFR ergänzt werden.

Dem Bestand LFR hinzugefügt wurde als Teil B Dokumentation der Geschichte des LFR die Akten zur Publikation, die Bea Dörr und Ulla Siebert im Auftrag des LFR anlässlich des 25jährigen Jubiläums erstellten. Sie wurden von den Autorinnen an BAF e.V. abgegeben und enthalten die Vorgehensweise, die transkribierten Interviews und die Druckvorlage des Wer-kes (Ord-Nr. 321-324).

Der Bestand des LFR überliefert damit auf jetzt noch 7 lfm und 324 Aktentiteln ein außeror-dentlich reiches Material zur Frauenpolitik des Landes Baden-Württemberg in den letzten 40 Jahren. Die Arbeit der Dachorgansiation und ihrer Mitgliedsverbände, die oft zögerlichen Be-mühungen der Regierungen sowie die parteipolitischen Bestrebungen werden gespiegelt in der Bandbreite frauenpolitisch aktueller Themen. Durch die hohe fachliche Kompetenz der engagierten Frauen und die überparteiliche Arbeit sind seine Vertreterinnen in allen politischen Gremien präsent und anerkannt. Die Nähe zu Regierung und Ministerien wird genutzt, um - erst zaghaft dann jedoch dezidiert - frauenpolitisch zu wirken. Seit Mitte der 1980er Jahre und verstärkt in den 1990ern öffnet sich der LFR zudem den Projekten aus der autonomen Frau-enbewegung, unterstützt sie bei finanziellen Nöten und greift Diskussionen aus ihren Arbeits- und Lebenszusammenhängen auf. Auch diese Projekte und Vereine sind damit im Bestand des LFR mit Material vertreten.

Das Archiv von BAF e.V. überliefert mit dem Bestand des LFR nun einen repräsentativen Querschnitt frauenpolitischer, -kultureller und -sozialer Tätigkeit im Land Baden-Württemberg seit den 1960/70er Jahren. Von einem Ort aus lassen sich damit die Frauenorganisationen in der Tradition der ersten Frauenbewegung und diejenigen aus der zweiten Frauenbewegung aufarbeiten. Ihr gemeinsames Ziel ist die Überwindung von Geschlechtergrenzen und Gleich-berechtigung für Frauen und Männer im Land. Dazu werden vielfältige Wege und Arbeitswei-sen eingeschlagen, organisiert in Verbands- und Vereinsarbeit auf Landesebene, in der Regi-on und am Ort oder in spontanen und kurzlebigen Initiativen lokaler Gruppen. Die Arbeit all dieser Gruppen ist nun recherchierbar im BAF-Archiv. Sie wird eingerahmt mit einer reichen Sammlung an Grauer Literatur und Fachliteratur.



Literatur:

* Dörr, Bea, Ulla Siebert: Wer sich engagiert, verändert! Die Geschichte des Landesfrauenrates Baden-Württemberg. Tübingen 1997

* Rundbrief Landesfrauenrat Baden-Württemberg. Monatliche Informationsschrift des Landesfrauenrates Baden-Württemberg

* Frauenrat. Informationen für die Frau. Informationsdienst des Deutsches Frauenrates - Lobby der Frauen - Bundesvereingiung von Frauenverbänden und Frauengruppen gemischter Verbände in Deutschland e.V.



Gesa Ingendahl, Bea Dörr

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Rümelinstr. 2
72070 Tübingen
Telefon: +49 (0)7071 36 93 49
Öffnungszeiten
Do 16.00 - 19.00 Uhr
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