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Einrichtung: Frauensolidarität | Wien
Orginaltitel: Recitatif
Verfasst von: Morrison, Toni info
Mitwirkende: Smith, Zadie [VerfasserIn eines Nachworts]
Handels, Tanja [ÜbersetzerIn]
Ausgabe: Deutsche Erstausgabe
Jahr: 2023
Maße: 21 cm
ISBN: 349800364X
Sprache: Deutsch
Beschreibung:
Erstmals liegt Toni Morrisons einzige Erzählung auf deutscher Sprache vor und vermittelt eingedichtet zentrale Leitthemen ihres Werks. Im Zentrum stehen die beiden Frauen Roberta und Twyla, die sich als Mädchen in einem staatlichen Fürsorgeheim kennenlernen und bei der ersten Begegnung zunächst offensichtlich Differenz empfinden: „Schlimm genug, früh am Morgen aus dem eigenen Bett geholt zu werden – aber dann noch an einem fremden Ort festzusitzen, zusammen mit einem Mädchen von ganz anderer Hautfarbe!“ Dennoch entwickelt sich während der gemeinsamen Monate im Heim eine Freundschaft, bis sie sich nach Robertas Auszug aus den Augen verlieren. Im weiteren Verlauf der Kurzgeschichte begegnen sich die beiden mehrmals zufällig unter unterschiedlichen Voraussetzungen, ein ungetrübtes Wiedersehen ist es jedoch nie: Unverkennbar sind sie in einer rassistischen und klassistischen Gesellschaft verortet, in der sie selbst – unbewusst und ohne Vorsatz – Hierarchisierungen reproduzieren und sich an Mechanismen der Ausgrenzung und Ausbeutung beteiligen. „Rezitativ“ gelingt dabei ein ebenso simples wie schier unmögliches Experiment: Indem Morrison gängige Zuschreibungen verfremdet und mit kleinen Nuancen große kulturelle Assoziationen weckt, jedoch nie tatsächlich die Zugehörigkeit der beiden Protagonistinnen klärt, spielt sie mit der Erwartungshaltung ihrer Leser_innen und hält der eigenen Verstrickung in tief verankerte Stereotype und gesellschaftliche Konstruktionen des „Anderen“ einen Spiegel vor. Morrisons Anspruch lautet dabei, rassifizierte Codes möglichst konsequent auszulassen: „Die Arbeit, die ich schon immer tun wollte, macht es erforderlich, dass ich es lerne, Wege zu finden, um die Sprache von ihrer manchmal unheimlichen, oft trägen und fast immer voraussagbaren Verwendung von rassisch geprägten und festgelegten Ketten zu befreien.“ (Toni Morrison in „Im Dunkeln spielen“) Wie Zadie Smith in ihrem umfangreichen Nachwort akribisch herausarbeitet, ist das Gelingen dieses Unterfangens in einem Land wie den Vereinigten Staaten ein großes Wagnis: „Damit es gelingt, müsste man so schreiben, dass sich jeder Satz exakt auf dem Grat zwischen spezifisch »schwarzer« und »weißer« amerikanischer Ausdrucksweise bewegt – ein echter Drahtseilakt in einem Land, das wachsam wie ein Schießhund jeden rassifzierten Code registriert, allzeit bereit zum Kategorisieren (…).“ Zugänglich und ohne moralisierenden Gestus verhandelt Toni Morrisons „Rezitativ“ unangenehme Fragen der eigenen Beteiligung an Unrecht, vom Fremdsein und Entfremdung, aber auch von Reflexion und der „schönen Realität“ von Differenz, die Zadie Smith anbietet: „Wir müssen Differenz nicht immerzu bewerten, kategorisieren oder kriminalisieren. Wir brauchen sie auch nicht persönlich zu nehmen. Wir können sie einfach stehen lassen. Oder ein tiefgreifendes Interesse an ihr entwickeln, so wie Morrison.“
Mit „Rezitativ“ liegt die erste deutsche Übersetzung von Toni Morrisons erstmals 1983 erschienener, einzigen Erzählung vor. Twyla und Roberta werden beide ins Waisenhaus gebracht, obwohl sie keine Waisen sind. Die Leser_innenschaft erfährt, dass eines der beiden Mädchen Schwarz ist, das andere weiß. Welche jedoch welche ist, erfahren wir nicht. Mit diesem Kunstgriff stellt die spätere Nobelpreisträgerin die Wahrnehmung der Leser_innen auf die Probe und eröffnet damit die Möglichkeit zur kritischen Selbstanalyse. Darüber schreibt auch Zadie Smith in ihrem Nachwort, das genauso lang ist wie Morrisons dichte Erzählung. Toni Morrison zeigt auf wenigen Seiten, die sie der Freund_innenschaft der beiden Mädchen widmet, wie persönliche Beziehungen niemals außerhalb von Rassismus und Klassismus stehen.
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