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Pornografie

Verfasst von: EMMA
in: EMMA
2007 , Heft: 1 , 132-133 S.

Weitere Informationen

Einrichtung: FrauenMediaTurm | Köln
Signatur: Z-Ü107:2007-1-a
Formatangabe: Bericht; Rückblick
Link: Volltext
Verfasst von: EMMA
In: EMMA
Jahr: 2007
Heft: 1
Beschreibung: Ill.
ISSN: 0721-9741
List of content:
  • "EMMA" [Feministische Zeitschrift]
  • Sprache: Nicht einzuordnen
    Beschreibung:
    Am 9. Juni 1978 klingelte in der EMMA-Redaktion das Telefon. Am anderen Ende ein Kollege von der Washington Post. Er wollte wissen, was EMMA denn so vom aktuellen stern-Titel hält. Er nähme doch an, dass "die deutschen Frauen sich gegen diesen krassen Sexismus wehren" würden. Wir waren beschämt. Recht hatte der Mann - und löste damit die tiefgreifendste und anhaltendste Kampagne von EMMA aus: die Kampagne gegen Pornografie.

    Die 1. Etappe war der so genannte stern-Prozess, die 2. Etappe die PorNO-Aktion und die 3. Etappe Alice Schwarzers Analyse der Fotos von Helmut Newton als "sexistisch und rassistisch". Zeit für eine 4. Etappe, denn die Diskussion ist zwar präsent, aber das Problem ist eher größer geworden als kleiner.

    Der Prozess gegen den stern war eigentlich ein Kompliment an das Hamburger Magazin. Denn EMMAs Argument lautete: Der stern ist kein billiges Sex-Magazin, sondern eine ernstzunehmende politische Zeitschrift, mit der wir uns auseinandersetzen wollenüber seine frauenverachtenden Titelmotive. Der Prozess wurde zu einem der aufsehenerregendsten Events in Deutschland: Über Wochen, ja Monate redeten die Menschen sich die Köpfe darüber heiß.

    Doch stern-Chefredakteur Henri Nannen fand es gar nicht komisch. Und sein Kollege Rudolf Augstein vom Spiegel auch nicht. Nannen nannte die Klägerinnen "freudlose Grauröcke" und Augstein mokierte sich über deren "mangelndes Selbst-bewusstsein" und die "Meinungs- und Geschmacksdiktatur". Unübersehbar: die Herren Kollegen waren im Nerv getroffen.

    Der Prozess am Hamburger Landgericht nahm seinen Lauf, EMMA und Anwältin Gisela Wild konnten ihn nur verlieren, da es gar kein Gesetz gegen diese Art von pornografischer Darstellung gab -und bis heute nicht gibt. Es ging also eher ums Prinzip bei der Sache.

    Doch was ist Pornografie? Nach der Definition von EMMA und ihren Mitstreiterinnen ist Pornografie "die Verknüpfung von sexueller Lust mit Lust an Erniedrigung und Gewalt". Darum also geht es. Nicht um Nacktheit. Auch nicht um Frivolität. Sondern um Erniedrigung und Gewalt, verknüpft mit Lust. Und um die Prägung ganzer Frauen- und Männergenerationen, die diesen Film - Sex gleich Erniedrigung und Gewalt - lebenslang nicht mehr loswerden. Auch Männern wird damit geschadet.

    Zehn Jahre nach der stern-Klage lancierte EMMA 1987 die PorNO-Kampagne. Auch das erregte Aufsehen. Es gab ein von der SPD initiiertes Hearing in Bonn und viel Palaver. Aber nichts passierte.

    Anfang der 90er Jahre tauchten dann aus Amerika die ersten Snuff-Produktionen auf: Filme, für die man Frauen "lustvoll" getötet hatte. Und Fotografen wie Helmut Newton und Nobuyoshi Araki präsentierten schick arrangierte Leichen auf ihren Modefotos.

    1993 ging der Kampf von EMMA i gegen Pornografie in die dritte Etappe. ,Kunst oder Pornografie?', fragte Alice Schwarzer. Sie belegte in einer akribischen Bildanalyse den sadomasochistischen Sound der Newton-Fotos. Newton-Verlag Schirmer-Mosel klagte wegen "unautorisiertem Nachdruck" der Fotos. Das Münchner Gericht gab EMMA recht, bestätigt dem Schwarzer-Text die Qualität einer "wissenschaftlichen Analyse" sowie das Recht auf "Bild-Zitate". Doch, so sagt der Richter, EMMA hätte nur 12 statt 19 Fotos zitieren dürfen. Eine willkürlich anmutende Bewertung. Dennoch ging EMMA nicht in Berufung, um die grundsätzlich interessante Frage des Rechts auf Bildzitate ein für alle Mal zu klären. EMMA zahlte das Honorar und sparte Zeit.

    Heute hat Newton ein von der Stadt Berlin mit Millionenbeträgen Jahr für Jahr finanziertes Museum (am Bahnhof Zoo) und ist die Pornografisierung von Medien und Kultur noch weiter voran ge- schritten.

    Dabei ist längst nicht nur EMMA klar, dass die Pornogewalt in Filmen, Fotos und Texten desaströse reale Folgen hat. So mancher Mann stellt das, was er da im Internet oder Fernsehen konsumiert, im Leben nach: Er vergewaltigt, foltert und tötet Kinder oder Frauen mit Lust. Ist diese Vergiftung der Erotik noch zurückzuholen? Es ist fünf vor zwölf - höchste Zeit zum Handeln.
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