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Einrichtung: FrauenMediaTurm | Köln
Signatur: Z-Ü107:1992-11-a
Formatangabe: Bericht
Link: Volltext
Verfasst von: Weiland, Daniela
In: EMMA
Jahr: 1992
Heft: 11
ISSN: 0721-9741
List of content:
  • "Brigitte" [Frauenzeitschrift]; "Petra" [Frauenzeitschrift]
  • Sprache: Nicht einzuordnen
    Beschreibung:
    Daß Frauen, was das Karrieremachen betrifft, oft noch ziemlich schwer von Kapee sind, sieht man allein schon an mir: Wie oft habe ich mir mit meinen männlichen Kollegen diesen Spaß geleistet - und habe mir nie etwas dabei gedacht. Leider! Hätte ich nur einmal selbst beherzigt, was ich da sagte, vielleicht stände ich heute auch als festangestellte Redakteurin da, mit Zimmer zum Anklopfen und mit einem wunderbaren eigenen Schreibtisch.

    Der Kantinenulk, der sich in gewisser Regelmäßigkeit wiederholt, geht so: Plötzlich sitzt da wieder einer meiner Herren Kollegen in ungewohnter Aufmachung vor dem Essenstablett: keine Jeans mehr, keine Turnschuhe, kein nichtssagend gemustertes Oberhemd. Nein, wie aus dem Ei gepellt im Anzug mit passender Krawatte. Ich kann nicht leugnen: Der Mann ist plötzlich umgeben von einer Aura von Seriosität und Bedeutung. Trotzdem habe ich es mir nie nehmen lassen, dem Überläufer den Finger in die Brust zu bohren mit der lautstarken Bemerkung: "Aha! Schon wieder einer, der Karriere machen will und darauf aus ist, festangestellt zu werden!"

    . Der Triumph liegt jedoch keineswegs auf meiner Seite, denn fast alle meine männlichen Kollegen sind festangestellt worden - ich nicht! Selbst die, die Jahre nach mir kamen, thronen inzwischen hoheitsvoll auf ihrem Pöstchen und haben was zu sagen. Ich nicht. Meine Kolleginnen auch nicht. Und das Blöde ist, ich bemerke erst jetzt, wie recht ich mit meinen boshaften Bemerkungen hatte - und weshalb meine Karriere schiefgehen mußte: Ich besitze keinen Anzug! Aber es kann noch alles gut werden. Die letzten Ausgaben der Frauenzeitschriften halfen mir auf die Sprünge: Da nämlich sind sie, die Damen, die es geschafft haben. Und alle tragen Anzug! Da ist die schöne Erfolgreiche aus der Phas-Werbung, die wir auf allen Berufswegen begleiten dürfen. Sie hat wunderbar breite Schultern zum Anlehnen und demonstriert uns, wie ästhetisch Arbeit sein kann. Wo immer sie auftaucht, verfärbt sich alles harmonisch blau-grün, passend zu ihrem Anzug. So möchte ich auch am Designer-Schreibtisch sitzen, so möchte ich auch auf Weltreise gehen: das schnurlose Telefon für einen last call beim Abschied, den Laptop griffbereit im Erste-Klasse-Zugabteil. Oder die Kurzhaarige, beschrieben mit "immer korrekt im Herrenstil". Sie ist einfach "perfekt für den Job": Mit gelbem Glencheckblazer, Streifenhemd und Krawatte sitzt sie in einem Straßencafe, natürlich nicht in Klein Ippensen, sondern in der Weltstadt Paris, liest Le Monde und läßt sich bedienen. Erstaunlich, wie so junge Mädchen, die nur halb so alt sind wie ich, schon so souverän und erfolgreich sein können! Wahrscheinlich schlägt sie jetzt gleich den Börsenbericht auf. Ja, mit einem so edlen Anzug und in Kombination mit einem bestimmten Mineralwasser wird eben jeder "Job zur Leidenschaft". Eine Galeri- stin ist sie - und ruht sich von ihrem aufregenden Leben bei stillem Wasser aus. Also, es steht fest, so ein Anzug muß her. "Jetzt sind Nadelstreifen aktuell", entnehme ich dem Modeteil, und "das edle Material und der schlichte Schnitt wirken ganz ohne Beiwerk - klar, daß so etwas ein bißchen kostspielig ist". Na klar doch! Jacke zirka 750, Hose 440 Mark. Soviel sollte einem die eigene Karriere doch wohl wert sein! Nach allem, was ich für meine Karriere schon geleistet habe -angefangen beim Studium, (bisher) Verzicht auf Kinder, arbeiten, arbeiten und nochmals arbeiten — ist dieses letzte Hindernis auf der Karriereleiter schließlich eine leichtere Übung: Jetzt muß ich schließlich nur noch Mann werden. Im Tierreich nennt man das Mimikry: laut Brockhaus eine "spezielle Schutztracht oder Verhaltensweise zum Zwecke der Übereinstimmung nichtwehrhafter Tiere mit wehrhaften Tieren". Anpassen um zu überleben, und zwar in den Chefetagen. "Frauen drängen jetzt verstärkt in die Führungspositionen", das bestätigt auch die Studie "Frauen als Führungskräfte" der Zeitschrift "Capital". Daß sie kompetent sind, das haben Frauen, die es bis zu dieser Schwelle geschafft haben, längst bewiesen. Dennoch haben sie es schwer, die Chefsessel zu erklimmen, und das liegt, wer hätte es gedacht, am kleinen Unterschied. Die letzten Hürden, so klagt fast jede zweite Managerin (43 %) laut Capital- Studie, seien emotionaler Art: Gerade wenn es um Führungsaufgaben geht, fallen Vorurteile gegenüber Frauen wieder verstärkt ins Gewicht. Sonja Bischoff, Hamburger Wirtschaftsprofessorin und Autorin der Studie dazu: "Viele Männer akzeptieren zwar gern für sich die Rolle des Förderers junger weiblicher Nachwuchstalente, fühlen sich aber extrem bedroht, wenn Mitarbeiterinnen oder Kolleginnen plötzlich zur unmittelbaren Konkurrenz werden." Und Deutschlands erfolgreichster Headhunter Dieter Rickert zum Thema Frauen in Top-Positionen: "Da brauch' ich Leute mit Biß, die 14 Stunden ranklotzen, und das können Frauen nicht (...). Zeigen Sie mir doch die Tigerinnen in der zweiten Reihe, die ich zu Vorständen machen kann." Was also soll ich tun? Zur Tigerin mutieren - oder besser gleich zum Tiger? Denn selbst Tigerinnen bekommen Kinder, und wer als Frau zur Topebene durchstarten will, muß deutliche Signale setzen, daß "ihr Lebensziel die Karriere ist, und nichts als die Karriere" (so noch einmal Rickert, der Kopfjäger). Da komme ich auf meinen neuen Herrenanzug zurück: Eignet er sich nicht auf ideale Weise, mich in eine schützende "Übereinstimmung mit den wehrhaften Tieren" zu bringen? Da fällt mir natürlich der kleine Max zu Hause ein. Sind seine Eltern also zwei Männer? Papa im seriösen Nadelstreifenanzug, Diplomatenköfferchen, Terminplaner - Mama im seriösen Anzug, Diplomatenköfferchen, Terminplaner? Und keiner hat Zeit? Keine Angst! Mäxchen gibt es gar nicht! Denn zeugen kann frau trotz Herrenanzug nicht - und gebären ist im oberen Management leider nicht geboten (62 % aller Führungsfrauen sind kinderlos, aber nur 13 % der Männer). Aber was brauche ich Mäxchen oder Moni-lein. Was man einmal begonnen hat, soll man auch fortführen. Noch habe ich mein Ziel nicht erreicht. Schließlich habe ich meine Lektion in Punkte Karriere noch nicht zu Ende gelernt! Und die dynamischen Frauenzeitschriften helfen mir dabei. "Petra" verhilft mir zu einem der teuren Statussymbole, deren Anschaffung ich mir bisher ersparen zu können glaubte. So wie Kinder Basteibögen aus Zeitschriften heraustrennen können, so trenne ich mir jetzt meinen Terminplaner aus des Heftes Mitte: edelstes Leder - allerdings nur als Papierattrappe, auf der in gelben Lettern "Karriere-Guide" aufgedruckt steht.

    Und hier, muß ich gestehen, entdecke ich endlich die gravierenden Fehler, die mir beim Erklimmen der Karriereleiter bisherk

    unterlaufen sind: In meiner unbedarftens<

    Art hatte ich bisher immer auf gute Ko-C

    Operation mit den Kollegen gesetzt. Da-ti

    bei heißt die goldene Regel: "Machen Sieg

    Leute von sich abhängig! Natürlich nure

    fachlich. Übernehmen Sie zum Beispielti

    die Einteilung der Dienstpläne. Sie müs-1

    sen dann gefragt werden, wenn jemand3

    frei machen möchte. Schon sitzen sie drinF

    im Spinnennetz, das Sie gewoben haben,a

    An den Schaltstellen der Macht sitzen dieF

    meisten Unentbehrlichen - genau dortti

    müssen Sie hin." Zweiter Kardinalfehler:n

    Ich Esel habe mich geradezu angebotend

    als Anlaufstelle für diejenigen, die Pro-b

    bleme hatten, sei's mit ihrer Arbeit, sei'ss

    mit der Hierarchie. Dabei heißt die gol-u

    dene Regel: "Meiden Sie den Kontakt zuz

    Losern. Die haben in Ihrer Clique nichtsE

    verloren. Orientieren Sie sich nach oben!F

    Die besten, und nur die, sind künftig ihrea

    Vertrauten. Einfach, weil alles daruntere

    nicht Ihr Level hätte. Merken Sie sich:I

    Geht ein Loser, geht sein Network mei-ti

    stens mit über den Deister. Steigt einF

    Winner auf, nimmt er die Seinen mit undp

    sonst keinen."h

    So also ist das. Ich werde es beherzigen.L

    Männer machen es angeblich so. Ich abL

    jetzt auch. Aber genügen schon männli-r

    ehe Strategien und maskulines Outfit?h

    Bei weitem nicht! All die vielen Karriere-o

    berater, die gerade den Markt überfluten,b

    lehren uns: Auch auf die Körperspracheis

    kommt es an. Auch die will geübt sein,c

    und da hilft uns wiederum "Brigitte".f;

    Wir üben breitbeiniges Dastehen. Wirn

    üben, den Zahnstocher als Flippe im&

    rechten Mundwinkel, im HerrenhemdIS

    männlich cool mit dem Billiardstock zuE

    hantieren. Wir üben, den Hosenträgerji

    über den Daumen gespannt, lässig am"

    Tresen zu stehen.v

    Zuletzt habe ich mich im Alter von achtu

    vor dem Spiegel so in Szene gesetzt, alsn

    ich mich für mein künftiges Leben alsz

    Seeräuber vorbereitet habe: mit Säbel,t(

    Augenbinde und angemaltem Schnurr-n

    bärtchen. Heute stehen Frauen immerP

    noch wie Kinder vor dem Spiegel, staffie-d

    ren sich mit allen Insignien der Macht ausa

    und träumen davon, auch einmal eineN

    führende Rolle zu spielen.u

    Aber das ist gar nicht ganz neu: In denF

    20er Jahren gab es schon einmal dieseJ

    Mimikry, am deutlichsten verkörpertC

    durch die "Garconne", die auch Männer-d

    anzüge trug. Aber auch für die großefi

    Masse der Frauen war es die Zeit desg

    Gummimieders, das Busen, Bauch undsi

    Hüften zusammenquetschte, um einenz: knabenhaft schlanken Körper vorzutäuschen. Der Bubikopf galt als Symbol der Gleichberechtigung, und das in gedämpften Tönen gehaltene Kostüm, dem streng geschnittenen männlichen Anzug nachempfunden, war das Zeichen der berufstätigen selbstbewußten Frau. Tatsächlich waren Mitte der 20er Jahre 36 % der erwerbstätigen Bevölkerung Frauen, mehr denn je zuvor. Weshalb aber die Anpassung an die männliche Physiognomie und Mode? Mehrere Faktoren haben eine Rolle gespielt: Zum einen mußte eine schlichtere Frauenkleidung entwickelt werden, die in der Arbeitswelt praktisch war. Zum anderen schlüpften die Frauen in die Männerrolle, um im Beruf wie im Privaten ebenso akzeptiert zu werden wie der Mann. Entscheidend aber war, daß sich die Frauen in dieser Epoche tatsächlich mehr an traditionell männlichen Werten - wie eben der Berufstätigkeit, der finanziellen Unabhängigkeit - orientierten als an den traditionell weiblichen: Die kochende Hausfrau mit fünf Kindern war als Ideal passe. Männlichkeit - besser: Knabenhaftigkeit - wurde weibliches Leitbild. Lassen sich Parallelen zu heute ziehen? Ich meine, ja. Ging es damals um die Berufstätigkeit der Frau schlechthin, geht es heute um die Karrieren. Demgegenüber orientiert sich das Modeideal nicht mehr bloß am Mann. Der Chef, der Hierarch, ist das neue weibliche Ideal. Modemacher, Werbeagenturen wissen das. Frauen fahren darauf ab - schließlich ist bisher nur jeder elfte der 1.100.000 bundesdeutschen Manager eine Frau. Und im Top-Management ist es sogar nur jeder 170ste! Dennoch beklagt man sich öffentlich, wie jüngst auf dem Symposium zum Thema "Frau und Wirtschaft - Führen als Frau", veranstaltet von der EG-Kommission und der bayerischen Staatsregierung, daß nicht mehr Frauen in den Chefsesseln sitzen. Zumal augenblicklich ein so eklatanter Führungskräftemangel herrscht, daß man sogar bereit scheint, auf weibliches Potential zurückzugreifen. Gesucht werden also dringend Frauen, wenn man aber genau hinausschaut, bloß solche, die Mann spielen: Die Frau im Herrenanzug und - ohne Kinder! Denn einer Frau mit Kindern fehlt es immer an Zeit. Und Time ist schließlich Money. Gleichzeitig aber sind weibliche Tugenden in den Betrieben ausdrücklich gefragt: Die kinderlose Frau soll voll und ganz in ihrem Betrieb aufgehen, Überstunden machen, mütterlich-uneigennützig die Angestellten leiten (weiblicher Führungsstil!) und sich bescheiden zufriedengeben mit erheblich weniger Lohn als Männer in vergleichbarer Position. Schlicht zum Verrücktwerden! Beziehungsweise schizophren. Übrigens ist der Anzug gar kein typisch männliches Kleidungsstück. Es gibt ihn erst seit knapp 200 Jahren, als die kapitalistische Zeit-ist-Geld-Ideologie ihren Anfang nahm. Bis dato hatten auch Männer, man sieht es auf alten Gemälden, mit Rüschen und Rosetten, Schärpen, Spitzen und Bändern geprunkt. Sie haben alles getragen, was heute als typisch weiblich gilt, und es hat ihrer Männlichkeit keinen Abbruch getan. Um Macht und Reichtum zu demonstrieren, waren sie oft sogar aufwendiger gekleidet als die Frauen. Vor allem das, was ihre Männlichkeit ausmachte, das "Gemächt" (männliches Geschlechtsteil), wurde in früheren Jahrhunderten nicht versteckt, sondern hergezeigt. Die "Schamkapseln" wurden oft mit überdimensionalen Schleifen dekoriert oder stark ausgestopft, daß es noch mächtiger wirkte. Mit dem Aufstieg des Bürgertums und der Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft glänzte der Mann allein durch seine Leistung. Er beging eine modische Selbstkastration um der Arbeit willen und wurde optisch zum Neutrum. Fortan wurde der Mann einzig und allein daran gemessen, welchen Einsatz er in der Berufswelt erbrachte. Familiäre, nichtöffentliche Aufgaben zählten nicht. "Man muß Männern klarmachen, daß sie es (bei Frauen) mit ebenso motivierten und leistungsfähigen Menschen zu tun haben, wie die, für die sie sich auch selber halten", so ein kämpferisches Fazit von Sonja Bischoff, der Autorin der Ca-pital-Frauen-Studie. Ganz im Gegenteil, verehrte Frau Bischoff: Man muß den Männern keineswegs mehr klarmachen, daß wir sind wie sie. Man muß Männern inzwischen klarmachen, daß sie sind wie wir! Das Modethema der nächsten Jahre heißt doch in Wahrheit: Wann endlich zieht auch der Mann eine Schürze an? Die "Männervogue" oder der "Playboy" sollten mit ihrem Leserkreis ruhig auch schon mal kräftig üben! Damit keine Mißverständnisse aufkommen: Dies ist keine Philippika gegen Hosenanzüge. Wohl aber gegen die Ideologie, die mit ihnen verkauft wird. Ich habe mir übrigens selbst gerade einen angeschafft. Er steht mir gut, befördert wurde ich trotzdem nicht.K9 DANIELA WEILAND U
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